Das Freie Theater Bad Liebenzell entführt in die Wilhelminische Ära. Foto: Zoller Foto: Schwarzwälder-Bote

Geschichte: Ein Rundgang durch die Kurstadt

Bad Liebenzell. Mit dem Erlebnistheater "Die Lindenwirtin" bietet das Freie Theater Bad Liebenzell in enger Zusammenarbeit mit der Freizeit und Tourismus GmbH  interessante Details aus dem 19. Jahrhundert.

Glanz früherer Epochen

Die Besucher erfahren am Sonntag, 27. August, Wissenswertes zu Liebenzeller Originalen aus der Wilhelminischen Ära, dürfen sich an Hausmannskost im alten "Gasthaus zur Linde" laben und erleben eine historische Stadtführung. Treffpunkt ist um 16 Uhr vor dem Rathaus.

Waltraud Maas und Ernst Heeskens führen die Besucher durch die Stadt. Barbara Schmidtke ist Initiatorin und Regisseurin des kultigen Theaterstücks. Für sie erschließt sich die Schönheit und der Glanz früher Jahrhunderte in Bad Liebenzell erst auf den zweiten und dritten Blick.

Daher bietet das Theater-Konzept einen Nachmittag, der alle Sinne anspricht. Ein Unterhaltungsstück bei dem man sehen, hören, riechen und schmecken kann, genügte der Theatermacherin Schmidtke allerdings nicht. Für das Erlebnistheater wurde ein Stadt-Spaziergang entwickelt, um die Besucher auch mit ihrem fünften Sinn anzusprechen und das Zeitgeschehen rund um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert erlebbar zu machen.

Kerstin Weiss, Tourismusdirektorin von Bad Liebenzell, verweist auf die bewegte Geschichte des Badeortes und seine Entwicklung bis heute: "Eine Stadt entwickelt sich. Zuverlässiger als Umsatzkurven und Wachstumsstatistiken dokumentiert unsere vielfältige Architektur die Etappen der Stadtgeschichte."

Bad Liebenzell, das den Namenszusatz "Bad" 1926 erhielt, ist eng mit der Geschichte des "Zeller Bades" verbunden, denn Kur und Erholung haben hier Tradition. 1403 ist das "Untere Bad" erstmals erwähnt worden. Das wenig später erbaute "Obere Bad" führte Anfangs den Namen "neues Wildbad zu Liebenzell". Während schon im Mittelalter Adelige Linderung für ihre Gebrechen suchten, erhielt das Badevergnügen in Liebenzell durch die Eisenbahnanbindung im Jahr 1874 erneut einen ungeahnten Aufschwung.

Bahn bringt Aufschwung

Mit der Bahn kamen nicht nur Fremde in den Ort, es entwickelte sich ein gänzlich neuer Erwerbszweig. Vom Fremdenverkehr profitierten Hotellerie, Gasthäuser und die Landwirtschaft als Nahrungserzeuger. Auf der Anhöhe war der alte Ortskern im Schutz der Burg entstanden. Aber ein im Jahr 1900 gefasster Beschluss des Gemeinderates verlagerte das Zentrum der Kurstadt durch den Bau von Kuranlagen an das Ufer der Nagold.

Hier startet offiziell das Theaterstück "Die Lindenwirtin" vor dem Rathaus.

Mit dem ersten Teil des "Theaterbesuchs" präsentiert sich Waltraud Maas als gut situierte Bürgerliche. Gekleidet mit langem Rock, Bluse und Strohhut gehört die kundige Stadtführerin zur bürgerlichen Gesellschaft im beginnenden 20. Jahrhundert. Sie gibt Auskunft über das Rathaus, das 1906 als Logierhaus erbaut wurde. Der damalige Wirt des Gasthauses "Sonne" ließ es neu errichten. Das Bauwerk des Historismus war zudem Poststelle und wurde ab 1924 von der AOK Baden-Baden als "Kurhaus Schwarzwald" betrieben. 1938 bezog es die Stadt als Rathaus. 1939 wurde es Sitz der neu gegründeten Kurverwaltung.

Auf dem Gelände der Liebenzeller Mission lockt der Blick über den Ort und zwei besonders attraktive Bauwerke. "Hier auf dem ›Klosterbuckel‹, der Urzelle von Liebenzell, baute Fräulein Mathilde Schlayer von 1886 bis 1888 die "Schlayerburg". "Ihren Wohnsitz hatte die Tochter des Staatsministers von Schlayer, der für besondere Verdienste vom König geadelt worden war, allerdings in Stuttgart", berichtet die Stadtführerin. Sie preist die Erbauerin des schlösschenartigen Gebäudes als Wohltäterin der einst armen Bevölkerung.

Die im romantischen Lichtensteinstil erbaute, fürstliche "Schlayerburg" wurde 1891 wohltätigen Zwecken zur Verfügung gestellt. Schon bald zogen erholungsbedürftige Diakonisinnen ein, denen der Arzt eine Badekur verschrieb. "Seither gehören die weißen Schwesternhauben zum alltäglichen Stadtbild von Liebenzell", so Maas. Sie berichtet darüber, dass das Stuttgarter Mutterhaus der Diakonissen 1896 eine Krankenstation in Liebenzell einrichtete, um sich "der Kranken, Armen und der weiblichen Jugend anzunehmen". 1911 baute die Stuttgarter Diakonissenanstalt ein Erholungsheim am Hang gegenüber. Die "Burg" ging in private Hände über.

Mission siedelt sich an

Auf Augenhöhe befindet sich die Liebenzeller Mission. Dieses Missionswerk wurde 1899 in Hamburg als deutscher Zweig der englischen China-Inlandsmission gegründet und 1902 nach Liebenzell verlegt. Seit 1906 nennt es sich nach seinem Standort "Liebenzeller Mission". Das Missionshaus ist ein schönes, in den Jahren 1905 bis 1907 in Form eines Kreuzes erbautes Fachwerkhaus mit aufwendigen Steinschmuck-Fenstern.

Waltraud Maas führt ihre Gesellschaft die Baumstraße entlang bis zum nächsten Gasthaus. Wenige Meter vom Gasthaus Löwen entfernt steht der Bau des ehemaligen "Gasthaus zur Linde" – heute Domizil des Freien Theaters Liebenzell. Hier erwartet die Gäste im historischen Jugendstilsaal der zweite Teil des Theaterstücks "Die Lindenwirtin", bei dem die Gäste bewirtet werden.

Karten sind ab sofort unter der Telefonnummer 07052/93 33 21 erhältlich. Kurzentschlossene können sich auch noch am Tag selbst der Gruppe anschließen. Die Maximale Teilnehmerzahl liegt bei 50 Personen.