Wie viel Wachstum braucht es zum Glücklichsein? Für den Theologen Jürgen Kegler ist Glück keine vom Menschen gemachte Leistung, sondern eine Gabe Gottes. Foto: Veranstalter Foto: Schwarzwälder-Bote

Wissenschaftler diskutieren bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Herrenalb über Begriff Wachstum

Bad Herrenalb. Mit der Tagung "Glücksmaschine Wachstum" hat die Evangelische Akademie in Bad Herrenalb am Wochenende die aktuelle Debatte über Wachstum aufgegriffen und setzte sich dabei auch mit dessen Glücksverheißungen auseinander.

Ein Streit ist entbrannt: Für die einen ist Wachstum der Schlüssel zur Lösung der meisten nationalen und globalen Herausforderungen. Andere wieder sprechen von einer Wachstumsfalle oder gar vom Wachstumswahn, der unsere Lebensgrundlagen zerstört.

Die vorherrschenden "Wachstumsphantasien" kritisierte etwa Ernst Ulrich von Weizsäcker (Emmendingen). Angesichts der drohenden Klimakatastrophe plädierte der langjährige Präsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie für ein Umdenken in Sachen Wohlstand: In unserem eigenen Interesse seien wir in der Pflicht, den Entwicklungsländern dabei zu helfen, den drohenden Kohlendioxid-Anstieg zu vermeiden. Dabei gebe es nur eine Lösung: pro Kopf gleiche Emissionsrechte, egal ob ein Mensch in Deutschland oder Indien lebt.

Notwendigkeit für ein "qualitatives Wachstum" sah der politische Ökonom Siegfried F. Franke (Stuttgart): "Die Gesellschaft, nicht die Wirtschaft braucht Wachstum". In entwickelten Industriestaaten benötige man ein hinreichendes Maß an quantitativem Wachstum, um die qualitativen Anforderungen der Gesellschaft erfüllen zu können.

"Wir sind keineswegs zum Wachstum verdammt", betonte indessen der Sozialforscher Meinhard Miegel (Bonn). Tatsächlich wäre mit Wachstum alles viel einfacher und "wir alle könnten weiter im gewohnten Trott verharren". Letztlich zerstöre unsere Art des Wirtschaftens aber unsere Lebensgrundlagen. Benötigt werde daher Entwicklung statt Wachstum. Es gelte "auf einen Wohlstand zu setzen, der deutlich immateriell begründetet ist".

Der Sozialethiker Christoph Stückelberger (Genf) sagte, in der Güterabwägung verschiedener Aspekte der Gerechtigkeit müssten "ethische Vorzugsregeln für ein menschengerechtes Wachstum beachtet werden". So habe das Recht auf das Überlebensnotwendige Vorrang vor dem Recht auf Luxus. Darüber hinaus seien die Finanzmärkte so zu regulieren, "dass sie Anreize setzen für eine Ökonomie des Genug für alle".

Der Volkswirt Thomas Dürmeier (Kassel) kritisierte, dass die heutige Mainstream-Ökonomik keine Grenzen des Wachstums kenne. Sie habe Züge einer "autistischen Wissenschaft" mit einem "mathematischen Tunnelblick". Sie sollte sich hin zu einer pluralen Ökonomik entwickeln, die auf den interdisziplinären Dialog setzt.

Von der "Tretmühle Wachstum" sprach der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger (Olten). Immer mehr Wachstum führe nicht automatisch zu mehr Glück. Ein attraktives Sozialleben mache glücklicher als die Anhäufung materieller Güter. Hier bestehen Schnittmengen zu biblisch-theologischen Vorstellungen von Wachstum und Glück.

Der Theologe Jürgen Kegler (Plankstadt) wies darauf hin, dass aus christlichem Blickwinkel ein Mensch "immer nur Anteil am Glück haben kann". Es sei letztlich keine von Menschen gemachte Leistung, die mit Streben nach Wachstum erreicht werde, sondern eine Gabe Gottes.

Dazu sagte Akademiedirektor Siegfried Strobel (Karlsruhe): "Wir sind nicht Eigentümer, sondern Treuhänder der Erde". Ein ökonomischer Wachstumszwang, der Natur-Ressourcen unersetzbar verbrauche, werde dieser treuhänderischen Bestimmung des Menschen nicht gerecht. Unsere Welt des Machens, des Wachstums brauche Grenzen und Begrenzungen. Die Ökonomie müsse dem Leben dienen, statt es zu beherrschen.