Kreiswechsel: Zweite Anhörungsrunde

Bad Herrenalb (mak). "Die Stadt Bad Herrenalb ersucht die Landesregierung von Baden-Württemberg ein Gesetz in den Landtag einzubringen, nach der die Stadt Bad Herrenalb aus dem Landkreis Calw aus- und in den Landkreis Karlsruhe eingegliedert wird." Ein Schreiben mit dieser Bitte hatte Bürgermeister Norbert Mai am 4. November vorigen Jahres an Landtagspräsidentin Muhterem Aras geschickt. Stimmte man doch in der Kurstadt beim Bürgerentscheid Ende Oktober mit knapper Mehrheit für einen Wechsel. Eine Entscheidung in Stuttgart fällt allerdings erst nach der Sommerpause.

Um sich ein Bild machen zu können, liegen zwar dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Rückmeldungen der Landratsämter in Calw und Karlsruhe sowie der Stadt Bad Herrenalb vor. Doch gibt es jetzt eine zweite Anhörungsrunde, wie auf Nachfrage unserer Zeitung mitgeteilt wurde. Bis Ende Juli haben die drei Beteiligten noch mal die Möglichkeit, Stellung zu nehmen.

Wie die Zeit vergeht: Am 21. April 2016 wurde in Bad Herrenalb zu einem folgenreichen Pressegespräch eingeladen. Die Altstadträte Martin Knirsch und Horst Mohr sowie vier Mitstreiter erklärten, wieso sie sich für eine sofortige Loslösung der Stadt vom Landkreis Calw einsetzen. Ohne Wenn und Aber wurde zum Angriff geblasen, getreu dem HöhnerHit "Wenn nicht jetzt, wann dann". Von wegen warten, bis die Gartenschau vorbei ist.

Sprecher Knirsch bemerkte, dass fast alle seine Getreuen Rentner seien. Und die Ruheständler machten fortan mächtig Wind. Das zeigte Wirkung. Die Bürgerinitiative "Sag Ja zum Landkreis Karlsruhe" initiierte einen erfolgreichen Bürgerentscheid: 43 Stimmen gaben den Ausschlag.

Schon eine ganze Weile liegen dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Stellungnahmen der Landratsämter in Calw und Karlsruhe sowie der Stadt Bad Herrenalb in Sachen möglicher Landkreiswechsel vor. Es möchte sich ein Bild machen. Wobei im Koalitionsvertrag Gebietsänderungen gar nicht geplant sind. Die Haltung des Nachbarkreises gibt zudem keinen Grund zur Freude bei den Befürwortern: Ein Beitritt der Albtal-Stadt hätte, so der Landkreis Karlsruhe, durchaus bedenkliche Auswirkungen.

Der Wunsch von Bürgermeister Norbert Mai, Stuttgart möge schnell eine Entscheidung herbeiführen, wurde trotzdem nicht erfüllt. Weiterhin ist Abwarten angesagt. Zumal jetzt vom Ministerium zu erfahren ist, dass es eine zweite Runde gibt: Alle drei Beteiligten haben die Möglichkeit erhalten, noch einmal bis Ende Juli Stellung zu nehmen. Eine Entscheidung fällt somit erst nach der Sommerpause. Dann ist auf jeden Fall die Gartenschau zu Ende, die einen super Start hinlegte. Und bei den meisten Bad Herrenalbern die Wechsel-Gedanken – wenigstens zurzeit – vergessen macht. Ein Schelm, wer Absicht hinter der Stuttgarter Vorgehensweise vermutet.

Eine kreisüberschreitende Zusammenarbeit ist heutzutage problemlos möglich – und wird auch erfolgreich praktiziert. Es liegt also nahe, dass viele der 1872 Bad Herrenalber, die mit Ja stimmten, gar nicht abgewägt hatten, welche Folgen ein "Herrexit" haben könnte. Frei nach dem Motto: Karlsruhe – oh, das klingt gut!

Wer kann schon ernsthaft bei der Frage, ob "Gründe des öffentlichen Wohls" vorliegen, die einen Wechsel der Stadt rechtfertigen, mit dem Kopf nicken? Ob allerdings nur Nachteile für die Siebentälerstadt entstünden – so die Sicht des Landkreises Calw –, sei dahingestellt.

Jedenfalls ist nach wie vor davon auszugehen, dass Stuttgart mit Blick auf Wechselgedanken anderer Kommunen keinen Präzedenzfall schaffen wird. Es gibt keine Zeichen dafür, dass man eine Gesetzesvorlage im Landtag einbringen will, nach der Bad Herrenalb aus dem Landkreis Calw aus- und in den Landkreis Karlsruhe eingegliedert würde.

Der Landkreis Calw umfasst wohl weiterhin 25 Kommunen. Wobei bestimmt der eine oder andere Kreisrat die Treulosigkeit der Kurstadt im Hinterkopf behält.

Es steht außer Frage, dass Knirsch und Co. für ihre Stadt nur das Beste wollen. Wahrscheinlich haben sie ihr aber einen Bärendienst erwiesen.

Bei der Gartenschau-Eröffnung sagte Landwirtschaftsminister Peter Hauk, dass die Stadt jetzt eine Zukunft habe – egal in welchem Landkreis. Hoffentlich behält er Recht.