Wie geht es mit dem Kinderhaus Regenbogen weiter? Jede Menge Interessierte kamen in den großen Sitzungssaal des Rathauses. Foto: Kugel

Schließung der Einrichtung "Regenbogen" abgewendet. Stundenlange Debatte in voll besetztem Sitzungssaal. Mit Kommentar.

Bad Herrenalb - "Wir stehen vor einem Rätsel", sagte Bürgermeister Norbert Mai. Egal welche Entscheidung getroffen werde, man könne nur Fehler machen, stellte Christian Romoser (CDU) konsterniert fest. Im proppenvollen Sitzungssaal des Rathauses votierte der Gemeinderat am Mittwochabend nach rund einer Stunde Beratung einstimmig dafür, die Türen des Kinderhauses Regenbogen nicht zu schließen.

Zu Beginn erläuterte Stadtbaumeister Reimund Schwarz die Chronologie. Angefangen von der ersten Raumluftmessung am 3. Februar 2014 bis zur siebten am 16. Januar. Der bisherige Untersuchungsaufwand schlage mit mehr als 50.000 Euro zu Buche, informierte Schwarz. Die zusätzlichen Lüftungsanlagen hätten rund 19.000 Euro gekostet.

Seit rund einem Jahr ist das Kinderhaus in Betrieb. Es wird so gut angenommen, dass man im Sommer die ursprünglich konzipierte Gruppenzahl von acht auf neun erhöhte. Von Anfang an, so die Verwaltung in der Sitzungsvorlage, haben einige Erzieherinnen über verschiedene Symptome wie Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Augenbrennen, Atemwegsprobleme, Hautausschläge, entzündete Schleimhäute und allgemeines Unwohlsein geklagt.

Bei einem Neubau seien solche Erscheinungen nicht unüblich. Nachdem es aber mehr Klagen gegeben hatte, wurde mit dem Gebäude-Hersteller ein Raumluftgutachten vereinbart. Dieses, nach dem üblichen Standard ausgearbeitet, zeigte allerdings keine Überschreitung der Richtwerte. Nach einer zweiwöchigen Schließung des "Regenbogens" Anfang vorigen Jahres, in der man ein intensives Aufheiz- und periodisches Gesamtlüftungsprogramm abspulte, erfolgte eine wesentlich umfangreichere Raumluftmessung. Die Werte lagen erneut unterhalb der Richtwerte.

Weil sich die Symptome bei den Mitarbeitern nicht besserten, fanden übers vorige Jahr verteilt zusätzliche Raumluft sowie Boden- und Wandmessungen statt, dazu Untersuchungen von Materialproben aus Wand, Dämmung und Bodenaufbau.

Reinigungsmittel weggelassen

Auf Anraten der Gutachter und Fachleute baute man in vier Räumen des Weiteren Zwangslüftungsanlagen mit Wärmetauscher zur Raumklimaverbesserung musterweise ein. Sämtliche Gruppenräume erhielten selbstregulierende Luftbefeuchter. In den Räumen wurden Zimmerpflanzen aufgestellt, die speziell die Absorption von leichtflüchtigen organischen Stoffen beitragen. Es gab die Anweisung, das Reinigungsmittel vorsichtshalber auszuwechseln beziehungsweise probeweise einige Wochen lang ganz weggelassen.

Der Leiter und die Ärzte vom Gesundheitsamt, Amtsärzte, Fachleute von der Berufsgenossenschaft, von der Unfallkasse BW und dem Umweltamt der Kreisverwaltung besichtigten nicht nur das Gebäude, sondern nahmen zum Teil auch eigene Untersuchungen sowie Messungen vor.

Der zusätzlich hinzugezogene Gutachter des Sentinel Haus Instituts aus Freiburg konnte keine verdächtigen Stoffkonzentrationen finden, welche die beschriebenen Symptome bewirken könnten. Auch wurde geprüft, ob schwer lösliche und normallösliche Stoffe, die zum Beispiel im verwendeten Estrichbeschleuniger enthalten sein könnten, vorhanden sind.

Die Auswertung der zuletzt am 16. Januar vorgenommenen präzisen Raumluftmessungen und Staubproben haben wiederum die guten Resultate bestätigt. Weitere Probenauswertungen erfolgen zurzeit im Labor (TÜV Rheinland).

Nach rein wissenschaftlicher Überprüfung, so die Verwaltung, lässt sich nach wie vor keine objektive Erklärung für das Auftreten der Symptome finden. Dennoch liegt der Anteil der betroffenen Mitarbeiterinnen bei rund 50 Prozent. Bei den Kindern sind es etwa sechs Prozent.

Mitarbeiter und Teile der Elternschaft fordern als Konsequenz, das Kinderhaus vorsorglich zu verlassen. Die Unfallkasse BW sowie der Personalrat plädieren ebenso dafür, auch der Kommunalverband für Jugend und Soziales. Das Gesundheitsamt hat sich mittlerweile genauso diesem Appell angeschlossen, verweist aber darauf, dass keine akute Gefährdung besteht und daher genügend Zeit herrscht, besonnen zu handeln.

In der Diskussion bemerkte der Schultes, man könne nicht von heute auf morgen das Kinderhaus schließen. Ein Vierteljahr sei schnell vergangen. Der Stadtbaumeister stellte zuvor vier Ausweichquartiere vor – samt Vor- und Nachteilen. Miet- oder Kauf-Container-Gebäude in vergleichbarer Gesamtgröße und Raumzahl (Kosten für eine Mietzeit von zwölf Monaten rund 575.000 Euro), Reaktivierung des ehemaligen Kindergartens (etwa 70.000 Euro), Umnutzung der früheren Grundschule (circa 440 000 Euro), zusätzliche Unterbringung in den Kindergärten der Stadtteile (nur geringe Aufnahmekapazität).

In Absprache mit den Fachgutachtern soll es unter anderem weiterführende Raumluftmessungen zur Feststellung von MVOC (von Mikroorganismen produzierte organische Verbindungen) geben. Falls vorhanden, folgt die Suche nach versteckter Feuchte im Boden und Wänden mittels einer zerstörungsfreien Neutronenradiometrie-Messung.

Gutachter sieht realistische Chance

Beim Bodenbelag werden weiter Materialproben entnommen. Zur Raumklimabeobachtung will man ein CO2-Messgerät sowie einen Hygro-Thermograf dauerhaft vorhalten. Der Linoleum-Bodenbelag soll sowohl im Büro der Leiterin als auch im kleinen Besprechungsraum ausgebaut und durch einen vergleichbaren Kunstbelag ohne jegliche Geruchsemissionen ersetzt werden.

Die Entlüftungsanlagen der innen liegenden Sanitärräume werden auf Dauerbetrieb geschaltet. Luftreinigungsgeräte sollen zum Einsatz kommen.

Gutachter Volker C. Gutzeit, Leiter Technisches Produktmanagement der Sentinel Haus Institut GmbH, plädierte in der Sitzung dafür, der Technik eine Chance zu geben. Er sehe eine realistische Chance, im nächsten halben Jahr das Rätsel gelöst zu bekommen.

Auf Anregung von Michael Theis (GL) stimmt das Gremium dafür, spezifische Messungen in einem engen Zeithorizont vorzunehmen. Um vor der Sommerpause rechtzeitig reagieren zu können, will man im Juni eine Entscheidungsvorlage auf dem Tisch haben. Eine betriebsärztliche Untersuchung aller Betroffenen soll weiterhin stattfinden. Ein neutraler Gebäudemanager (Hausmeister) wird eingesetzt. Weiterer Punkt: eine fachliche Bekleidung der Themenfelder Betriebsklima, Wohlfühlfaktoren und Stressabbau. Eine geomantische Untersuchung wurde zudem von Manfred Senk (GL) angeregt, auch mit Blick auf Feng Shui. Die Suche nach Erzieherinnen und Vertretungen soll im europäischen Raum erfolgen. Karl-Heinz Pfeiffer (FW) erinnerte an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die freilich eingehalten werden müsse.

Info: In einer Stellungnahme des Elternbeirats des Kinderhauses Regenbogen vom 21. Januar heißt es unter anderem: "Als Elternvertreter repräsentieren wir die Elternschaft und den Willen der Eltern. Sollte der Gemeinderat eine Lösung beschließen, die den Interessen der Eltern und Kinder nicht gerecht wird, so wird aus Sicht des Elternbeirats zu überprüfen sein, ob eine rechtliche Auseinandersetzung hinsichtlich der Problematik anzustreben ist. Gleiches wird der Personalrat bezüglich der Erzieherinnen sicherlich auch prüfen."

Es wird nachdrücklich um eine Schließung des Kinderhauses gebeten. Es solle einem Umzug zugestimmt werden, da eine kurzfristige Schädigung der Gesundheit von Erzieherinnen und Kindern nicht mehr ausgeschlossen werden könne und auch die langfristigen Auswirkungen unklar seien.

Aus den gesundheitlichen Problemen der Erzieherinnen resultiere, dass der Kindergarten seinen gesetzlichen Auftrag nicht mehr ausüben könne, da Fach- und sonstige Kräfte über das normale Maß hinaus krank und/oder arbeitsunfähig geschrieben seien. Deshalb hätten 2014 mehrmals einzelne Gruppen geschlossen oder die gesamte Nachmittagsbetreuung eingestellt werden müssen.

Bereits im Oktober (vor dem Einbau der Lüftungsanlage) sei durch Bürgermeister Norbert Mai den Erzieherinnen nahegelegt worden: Sollte nach circa zwei Wochen keine Besserung eintreten, werde der "Regebogen" geschlossen.

Kommentar: Vorhersehbar

Markus Kugel

Man habe so oder so nur die Möglichkeit gehabt, eine "A-Karte" zu ziehen. Das war die Meinung einer Zuhörerin am Mittwoch bei der Sitzung des Bad Herrenalber Gemeinderats. Sind doch die Argumente der Befürworter und Gegner einer Schließung des Kinderhauses Regenbogen verständlich und nachvollziehbar. Der Situationsbericht zur Raumluft kann nicht befriedigend sein. Andererseits haben die Fachgutachter bislang nichts gefunden.

Dabei hat die Stadt einiges in die Wege geleitet, um der Ursache für Symptome wie Hautausschläge oder allgemeines Unwohlsein endlich auf die Spur zu kommen. Ein Ausweichquartier steht nicht von heute auf morgen zur Verfügung – abgesehen von den Kosten. Der Gemeinderatsbeschluss, das Kinderhaus nicht zu schließen, war vorhersehbar. Wichtig ist jetzt, weiter einen kontinuierlichen Dialog mit den Eltern zu führen.