Tagung untersucht Positionen zwischen den beiden Weltkriegen / "Faszinierendes Naturereignis"

Im Rahmen der Tagung war die bemerkenswerte Wander-Ausstellung "Krieg! - In Gottes Namen? 1914-1918 mit Zeitzeugnissen aus der Evangelischen Kirche in Karlsruhe und Baden" zu sehen. Die von dem Historiker Axel Lange (Bretten) kuratierte Ausstellung zeigte anschaulich Momentaufnahmen und Schlaglichter des Ersten Weltkriegs von der nationalen Rhetorik über die schmerzhafte Ernüchterung bis zum bitteren Ende des "Großen Krieges".

Von Ralf Stieber

Bad Herrenalb. Vor den Schrecken eines Massenkrieges in Europa warnte die Buchautorin und Friedensaktivistin Bertha von Suttner bereits 1889 mit einer schonungslosen Schilderung der Kriegsfolgen in ihrem Roman "Die Waffen nieder!". Nur 25 Jahre später kam es zu einem solchen Krieg, und weitere 25 Jahre später folgte der Zweite Weltkrieg. Unter dem Titel "Schock, Trauma, Glorifizierung" untersuchte eine Tagung in Bad Herrenalb literarische Positionen zwischen den Weltkriegen. Veranstalter war die Evangelische Akademie Baden in Kooperation mit der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe.

Der Literaturwissenschaftler und Generalsekretär der Volkswagenstiftung, Wilhelm Krull, sprach von mehr als 50 000 Gedichten, die in Deutschland zu Kriegsbeginn 1914 täglich verfasst worden seien: Die Autoren – meist aus dem wilhelminischen Bildungsbürgertum – hätten den Kriegsausbruch freudig begrüßt. Der Krieg sei als "faszinierendes Naturereignis" und "geradezu sakral anmutendes Reinigungserlebnis" verstanden worden. Trotz weltweit mehr als 17 Millionen Toten sei nach Kriegsende die Vorstellung vom Krieg als "Ausweg aus der Krise" weiterhin lebendig geblieben. So schrieb Ernst Jünger 1922 in seinem Essay "Der Kampf als inneres Erlebnis" von der "katalytischen Funktion des Krieges" und der politischen Perspektive einer "soldatischen Erneuerung der Gesellschaft". Solche Visionen seien von militärischen Massenverbänden begierig aufgegriffen worden.

"Nicht die soziale Veränderung, sondern die kriegerische Auseinandersetzung erschien als veritable Handlungsoption", betonte Krull. Der Weg in den nächsten Krieg sei bereits vorgezeichnet gewesen. Als "Fanfare der Friedensbewegung" bezeichnete die Historikerin Anne C. Nagel Bertha von Suttners Buch "Die Waffen nieder!" Die Friedensbewegung in Deutschland und Österreich verdanke ihm entscheidende Impulse. So sei es zu vermehrten Gründungen von Friedensvereinen, internationalen Tagungen sowie den ersten zwischenstaatlichen Verhandlungen für die Etablierung einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gekommen. Trotz seiner Wirkung habe dieser Welterfolg nicht den Krieg verhindern können – dazu sei das Militär viel zu stark in ganz Europa gewesen.

Sowohl quantitativ als auch wirkungsästhetisch sei die pazifistische und kriegskritische Literatur stets in der Defensive geblieben, betonte der Literaturwissenschaftler Thomas F. Schneider. 98 Prozent der Literatur der Zwischenkriegszeit seien dem Krieg positiv gegenüber gestanden. Texte wie Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" (1929) hingegen hätten ein Schattendasein geführt. Letztlich sei es in der medialen Auseinandersetzung über den Ersten Weltkrieg weniger um Literatur als um Zuschreibung von Wahrheit aus einer bestimmten politisch-ideologischen Position heraus gegangen.

Von der Überhöhung des Ersten Weltkriegs als "kulturelle Katharsis" sprach der Kommunikationswissenschaftler Lars Koch. In der Literatur sei der Krieg als "Befreiung aus der Enge der Zivilisation und gleichzeitiger Erneuerung des Menschseins" gedeutet worden. Nachdem er sich in ein gewaltiges Dahinschlachten verwandelt habe, sei diese Erzählung zunehmend unglaubwürdig geworden. Die heroische Idealisierung eines Krieges mit individuellen Personen verschob sich in Richtung eines heroischen Realismus, bei dem die Beherrschung von Maschinen und die kalte Verhaltenslehre des Tötens in den Mittelpunkt rückten.

Unter dem Titel "Der Kompass ist kaputt" vermittelte die Germanistin Marita Rödszus-Hecker am Beispiel von Erich Kästners "Fabian" (1931), Hans Falladas "Wolf unter Wölfen" (1937) und Joseph Roth "Flucht ohne Ende" (1927) ein Stimmungsbild der Nachkriegszeit. Sie zeigte, dass die Autoren und Protagonisten alle einer "verlorenen Generation" angehörten, die als Soldaten im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten und danach orientierungslos auf der Flucht in einer Welt waren, in der sich alle sogenannten "sittlichen Bande" aufgelöst hatten.

Akademiestudienleiter . Gernot Meier verwies im Tagungs-Gottesdienst auf die biblische Verheißung "Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen". Eine Botschaft, die angesichts der aktuellen Weltlage undenkbar erscheine. Dennoch eröffne gerade dieser Traum vom wahren Frieden eine Perspektive.