Tagung: Kirche und Diakonie Vorreiter im Kampf gegen Armut / Engagement auf europäischer Ebene

Bad Herrenalb. Mit harscher Kritik an der EU-Führung und einem Appell an die Zivilgesellschaft ist in Bad Herrenalb die Akademietagung "Du sollst das Recht des Armen nicht beugen" zu Ende gegangen.

Die Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt (Brüssel) forderte ein stärkeres Engagement der EU gegen Armut und soziale Ausgrenzung in Europa. "Wir warten darauf, dass endlich etwas gegen die Armut in Europa getan wird. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat vor zwei Jahren eine umfangreiche Initiative zur Bekämpfung der Armut angekündigt, aber bis jetzt ist nichts geschehen."

Gebhardt, die auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Baden in Bad Herrenalb sprach, kritisierte insbesondere die Wettbewerbspolitik in der Europäischen Union: "Wir wollen keinen Wettbewerb der europäischen Staaten um niedrigere soziale Standards. Wir brauchen auch nicht irgendwelche Arbeitsplätze in Europa, wir brauchen ›gute Arbeit‹ in Europa!"

Stellungnahme erarbeitet

Die SPD-Europaabgeordnete, die auch Vorsitzende der Europa-Union Baden-Württemberg ist, ermutigte die Bürger zum Engagement auf europäischer Ebene: "Wir brauchen die Unterstützung der Zivilgesellschaft, der Kirchen, der Gewerkschaften für ein soziales Europa." Sie begrüßte ausdrücklich, dass im Rahmen der Akademietagung eine Stellungnahme zur Konsultation der Europäischen Kommission erarbeitet wurde, die auf die Stärkung der sozialen Dimension der Europäischen Union abhebt.

Darin heißt es wörtlich: "Wir sind überzeugt, dass eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik mit einer gemeinsamen Währung ohne eine gemeinsame Sozialpolitik auf Dauer nicht realisierbar ist. Wir halten deshalb eine Verstärkung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Europäischen Union im Bereich des Sozialschutzes und der Beschäftigungspolitik für dringend geboten." In diesem Zusammenhang kritisierte Gebhardt die Blockadehaltung der populistischen Parteien im Europaparlament. "Diese Parteien behindern eine Politik, die sich für die armen Menschen in Europa einsetzt."

An Fähigkeiten orientieren

Der stellvertretende Direktor der Diakonie Österreich, Martin Schenk (Wien), forderte auf der Tagung eine Politik der Armutsbekämpfung, die sich stärker an den Begabungen und Fähigkeiten der armen Menschen orientiert. "Wir schauen viel zu schnell auf die Defizite der Menschen und nicht auf die Ressourcen, die sie selbst einbringen können."

Benjamin Benz, Armutsforscher an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum, wies auf die besondere Aufgabe von Kirche und Diakonie in der Armutsbekämpfung hin: "Wir dürfen nicht nur ›Hilfe unter Protest‹ leisten, sondern müssen die Hoffnungsträger sein, die zusammen mit den Betroffenen nach neuen Wege in der Armutsbekämpfung suchen."

Die Tagung der Evangelischen Akademie Baden wurde vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) in Kooperation mit der Evangelischen Arbeitnehmerschaft Baden (ean) und der Diakonie Baden organisiert.