Hier steht der Wolf bei Stockach. Foto: dpa

Naturschützer sind entzückt, Herdenzüchter sorgen sich. Umweltstaatssekretär beruhigt im Interview.

Bad Dürrheim - Kürzlich war Baden-Württemberg noch "Wolferwartungsland", jetzt ist er da: Der Jungwolf, der vermutlich aus der Schweiz über die Bodenseeregion nach Baden-Württemberg kam, wurde jetzt bei Bad Dürrheim gesichtet. Darüber sprachen wir mit Umweltstaatssekretär Andre Baumann.

Ist das gesichtete Tier tatsächlich ein Wolf?

Das ist ganz sicher. Wir haben Fotos bekommen und geprüft. Sie belegen eindeutig, dass es sich bei dem Tier in Bad Dürrheim um einen Wolf handelt. Sehr wahrscheinlich ist dies das Tier, das zuvor in Überlingen und Stockach gesehen wurde.

Müssen sich Spaziergänger im Wald nun fürchten?

Nein, es besteht kein Grund zur Panik. Das ist kein böser Märchenwolf, der hier durch die Wälder streift, sondern ein ganz normales Wildtier. Wölfe sind an Menschen eigentlich auch gar nicht interessiert und meiden sie. Wenn man dennoch einem Wolf begegnen sollte, reicht es in der Regel, laut zu rufen, ihn direkt anzuschauen oder einen Stock zu heben. Dann verschwinden die Tiere sehr schnell. Auf keinen Fall sollte man das Tier aber anlocken oder gar anfüttern, um ein tolles Bild machen zu können. Wenn Wölfe an Menschen gewöhnt werden, besteht die Gefahr, dass sie zu Problemwölfen werden.

Wie können Tierhalter ihre Herden schützen?

Das Umweltministerium hat die Forstliche Versuchsanstalt in Freiburg damit beauftragt, die Wiederankunft des Wolfs im Land zu begleiten. Außerdem fördert das Land ein Herdenschutzprojekt, das der Schafzuchtverband gemeinsam mit dem Naturschutzbund durchführt. Ziel ist es, die Schäferei auf die Wiederankunft des Wolfs so vorzubereiten, dass sie ihre Herden bestmöglich schützen kann und keine Entschädigungszahlungen nötig sind.

Wie funktioniert das?

Mit Schutzzäunen und Herdenschutzhunden. Das ist zugegeben nicht gerade trivial, da Baden-Württemberg nicht die Lausitz ist und das Aufstellen von Zäunen in einer bergigen Region eine ganz andere Herausforderung ist als auf dem flachen Land. Diese Zäune müssen ordentlich Strom führen, müssen gut geerdet sein und so verankert werden, dass der Wolf sie nicht untergraben kann. Das ist für die Schäfer nicht gerade wenig Aufwand.

Dann doch lieber Herdenschutzhunde?

Wir testen derzeit, wie die in einem dicht besiedelten Land wie Baden-Württemberg eingesetzt werden können. Denn diese Hunde sind ja keine Kuschelhunde. Sie haben den Job, die Herde vor Wölfen, aber auch anderen Angreifern wie wildernden Hunden zu schützen. Da gibt es ermutigende Ergebnisse, die zeigen, dass der Einsatz solcher Hunde grundsätzlich möglich ist, aber es gibt auch Herausforderungen, das will ich gar nicht beschönigen. Dazu gehört, dass die Schäfer bei uns den Einsatz solcher Hunde nicht mehr gewohnt sind und es nicht ganz einfach ist, die Schutzhunde in die Herde zu integrieren. Außerdem braucht man die richtige Rasse und die richtige Ausbildung für diese Arbeit.

Und wenn die Herde konkret bedroht ist?

Wir haben bei der forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg ein Notfall-Set mit wolfssicheren Zäunen und stehen sozusagen "Zaun bei Fuß". Wenn eine Herde akut gefährdet ist, kann der Zaun bei der Versuchsanstalt jederzeit abgerufen werden.

Wenn es nun aber trotzdem zu Tierrissen durch den Jungwolf kommen sollte?

Dann gibt es den Entschädigungsfonds, in den Umweltverbände und Jagdverbände eingezahlt haben. 70 Prozent der nachweislichen Wolfsschäden erstattet das Land Baden-Württemberg den Verbänden. Aber für den Mehraufwand und ihre Angst um die Tiere können wir die Schäfer leider nicht entschädigen. Die Herausforderung ist, dass wir uns einerseits über den Wolf in Baden-Württemberg freuen, andererseits aber auf keinen Schäfer im Land verzichten möchten. Wir brauchen die Tierhalter, weil sie unsere wertvollsten Kulturlandschaften offen halten, aber viele von ihnen stehen finanziell schon mit dem Rücken an der Stallwand. Ich kann daher nur dazu aufrufen, die Schäfer durch den Kauf ihrer Produkte zu unterstützen. Also: mehr regionales Lammfleisch essen – auch am Veggieday.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Wolf hier niederlässt?

Ich glaube, die ist nicht sehr groß. Der junge Rüde ist auf der Suche nach einer Gefährtin. Da er aber der einzige Wolf in Baden-Württemberg ist, wird er seine Herzdame hier nicht finden können und vermutlich weiterziehen.  

Die Fragen stellte Sylvia Wiegert.