Mehrere Landwirte zeigten der Politik die rote Karte. Bemängelt wurden vor allem das Mindestlohngesetz und »unsinnige Bürokratie«. Foto: Reutter

BLHV-Landesversammlung bemängelt Mindestlohngesetz. EU-Kommissar Oettinger empfiehlt Landwirten, mehr Lobbyarbeit zu machen.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Weil der Kreis "so schön ist, dass man ihn gesehen haben muss", zeigte Reinhold Mayer vom Landratsamt bei der BLHV-Landesversammlung in Bad Dürrheim Bilder von der Region. Wobei er natürlich auch die Rolle der Landwirtschaft hierzulande unterstrich.

35.000 Rinder und 13.000 Milchkühe gebe es auf den Bauernhöfen im Schwarzwald-Baar-Kreis, erklärte Mayer. Die Landwirtschaft werde auch durch etliche Fördermittel unterstützt, ergänzte er sein Grußwort und beendete seinen Bildervortrag mit einem Appetit machenden Foto eines Stücks Schwarzwälder Kirsch.

Doch bitter stieß den Bauern die von der EU verlangte zusätzliche Dokumentationspflicht auf. So zeigten mehrere der Bauern der Politik die rote Karte, weil Betriebe die Förderung nicht nur im Internet offenbaren müssten, sondern nach neuen Vorgaben auch auf einem Schild am Hof darstellen sollten. Einer der Landwirte fühlte sich dadurch gebrandmarkt wie bei einem "Judenstern".

EU-Kommissar Günther Oettinger, der als Festredner bei der Versammlung weilte, stellte klar, er sei auch gegen diese Dokumentationspflicht gewesen. Sie habe trotzdem eine Mehrheit im Parlament gefunden. Hintergrund für die Neuregelung seien Korruptionsfälle gewesen, bei denen die Fördermittel nicht richtig verwendet wurden.

Sehr plakativ wandte sich ein Landwirt gegen die "Öko-Diktatur", die er in eine Reihenfolge mit der Diktatur der Nazis und des DDR-Kommunismus stellte.

Oettinger entgegnete, bei der verstärkten ökologischen Ausrichtung der Gesellschaft handle es sich um eine demokratische Entwicklung mit mehrheitlichen Entscheidungen. Ihm sei wichtig, dass Fördermittel für ökologische und konventionelle Landwirtschaft gleich verteilt würden, damit Betriebe die Freiheit hätten, zu wählen, in welcher Weise sie ihren Hof bewirtschaften wollten. Den Landwirten empfahl er, mehr Lobbyarbeit zu machen, EU-Abgeordnete und andere politische Vertreter der Region anzusprechen.

Massentierhaltung werde zunehmend diskutiert. Wobei Oettinger meinte, dass das Tierwohl nicht von der Betriebsgröße abhängig sei. Die Landwirtschaft müsse ihren Standpunkt politisch darstellen und mit guten Argumenten unterstreichen. In der Bevölkerung sieht er ein "Grundvertrauen" gegenüber den Landwirten. "Sie sind Tier- und Landschaftsschützer", rief er den Landwirten in der Öfinger Osterberghalle zu. Dass die Öffentlichkeit mehrheitlich dieses positive Bild von den Bauern habe, machte Oettinger auch an Kommunalwahlen fest. In die Gremien würden überdurchschnittlich viele Landwirte gewählt, was den Rückhalt gegenüber den Bauern in der Bevölkerung zeige.

BLHV-Präsident Werner Räpple merkte an, dass verschärfte Gesetze den Spielraum für betriebliche Entwicklungen zunehmend einengten, während gesellschaftliche Ansprüche an eine moderne Landwirtschaft weiter wüchsen. So stehe beispielsweise das Kupieren von Schwänzen in der Schweinezucht in der Kritik. Aber ohne diese Vorgehensweise gebe es vermehrt Bissverletzungen, was einen verstärkten Einsatz von Antibiotika nach sich ziehe. Bei einem Verzicht auf das Kastrieren von Ebern würde mit Hormongaben das Fleisch der Tiere genießbar gemacht. Räpple hinterfragte, ob das im Sinne des Verbrauchers sei.

BLHV-Hauptgeschäftsführer Benjamin Fiebig gab einen Einblick ins Wirtschaftsjahr 2013/14. Insgesamt habe das Einkommen der baden-württembergischen Landwirte bei 32 298 Euro je Arbeitskraft gelegen. Damit sei etwas mehr als im Vorjahr verdient worden. Räpple merkte an: "Trotzdem bleiben die Einkommen unserer heimischen Landwirte weiterhin Schlusslicht im bundesweiten Vergleich."

Wie Hubert God, einer der BLHV-Referatsleiter, informierte, habe der Landesverband derzeit 17.000 Mitglieder. Rund 90 Prozent der Landwirte im Zuständigkeitsgebiet des BLHV seien Mitglied im Verband. Die Zahlen seien jedoch rückgängig. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe alle 20 Jahre halbiere, zeigte God den anhaltenden Strukturwandel auf, dass es immer weniger Bauern gebe und der Trend hin zu größeren Betriebseinheiten gehe.

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