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Wahre Geschichte aus der Blütezeit des Kurwesens der Stadt / Nancy Staffords Geschichte ist wie ein Roman

Bad Dürrheim. Er hat viel zu erzählen, der Vorsitzende des Geschichts- und Heimatvereins, Jürgen Kauth. Wer schon einmal an einer Stadtführung mit ihm dabei war, weiß das.

Nach seiner Lieblingsgeschichte gefragt, erzählt er gerne, wenn er an der "Villa Amalia" hinter der evangelischen Kirche vorbei geht, die Geschichte von Nancy Stafford, die sich anhört wie ein filmreifer Roman: 1853 gebar eine schwarze Sklavin in Cumberland Island in Georgia, im tiefsten Süden der heutigen USA ihre zweite Tochter, später Nancy genannt. Vater beider Kinder war der Baumwollplantagen-Besitzer Robert Stafford, für den über 300 Sklaven arbeiteten. In seiner Inventarliste wurden alle fein säuberlich aufgelistet, wobei die beiden Mädchen als einzige den Zusatz "Mulattin" hatten, da ihr Vater ja weiß war. Nancys Vater behandelte die Sklaven ordentlich und sorgte für sie.

Nancys Mutter war die Krankenschwester der Plantage. Stafford wollte die beiden Mädchen mit einer guten Bildung ins Leben stellen und sie aus der Gefahrenzone des damaligen Bürgerkrieges bringen. 1864, als die Seeblockade vor Georgia durch die Nordstaaten endete, ließ er die Kinder auf einem Segelschiff nach Manhattan bringen. Gute Freunde des Vaters sorgten sich um sie, ausgestattet mit großzügiger finanzieller Absicherung. Obwohl es damals für "schwarze" Kinder und vor allem für Mädchen kaum eine Bildungseinrichtung gab, brachte er es fertig, über seine besten Beziehungen, den Mädchen eine gute Ausbildung angedeihen zu lassen. Nancy studierte an der Medizinischen Universität in Washington. 1878 machte sie ihren Doktor in Medizin (sie und eine Kollegin waren die einzigen weiblichen Doktoranden dort in jenen Jahren) und arbeitete in einem Hospital. Danach ging sie nach Europa, um sich weiter zu bilden. Zürich wurde ihre neue Heimat für die nächsten 16 Jahre. 1882 bekam sie die Schweizer Staatsbürgerschaft. Als Assistenzärztin verdiente sie gutes Geld und hatte hohe Anerkennung. 1887 erkrankte sie an Typhus, genas aber wieder und heiratete einen Schweizer Musiklehrer. Ein Jahr später gebar sie einen Sohn. Da sie bald merkte, dass sie der Mann nur wegen des Geldes geheiratet hatte, und sie auch schlug und zu viel trank, reichte sie die Scheidung ein.

Ihr Sohn kam nach England zu Bekannten und wurde dort ebenfalls Arzt. 1906 übersiedelte sie nach Deutschland zu einer unverheirateten Freundin namens Justine Rheiner. Rheiner war damals auch Besitzerin der "Villa Amalia" in Bad Dürrheim, wo die beiden dann kurz danach zusammen wohnten. Außerdem gehörte ihr auch das Haus, das später das Karolushaus und links daneben das Schwesternhaus wurde. Dort eröffnete 1907 Nancy Stafford eine medizinische Arztpraxis. Die Genehmigung dazu bekam sie mit Unterstützung und Empfehlung der Saline, des "Kurhaus" (später Kurheim-Sanatorium) und einiger Dürrheimer Geschäftsleute, denen sie versprochen hatte, tüchtig und ehrlich zu arbeiten.

Nancy Stafford war sehr angetan von der Art Kuren, wie sie in Dürrheim vollzogen wurden. Heilung durch Wasser und Salz, das war genau ihre Linie, die sie auch schon in der Schweiz verfolgte. Dass hier in Deutschland auch normale Arbeiter zur Kur konnten und nicht nur wie früher die Reichen, begeisterte sie sehr. Nach dem 1. Weltkrieg kam sie durch eine Erbschaft zu Geld und kaufte von ihrer Freundin die beiden Häuser, die später zum Karolushaus wurden. Ein Haus hieß "Pension Rheiner" und das andere "Villa Homestead". Beide Häuser wurden zu Kurpensionen umgebaut. Nachdem 1921 Dürrheim den Titel "Bad" verliehen bekam, begann eine kurze Blütezeit im Ort, die ihr als Badeärztin viel Arbeit bescherte.

Die Beliebtheit der "Frau Doktor" im Ort, spiegelte sich darin, dass sie 1923 eine Dankbarkeitsmedaille vom Bürgermeister und der Gemeinde für ihre Arbeit bekam. Ab 1924 wurde die Villa Homestead von Ordensschwestern betreut. Der Franziskanerorden "vom göttlichen Herzen Jesu" aus Gengenbach, kaufte 1931 das spätere Karolushaus und vergrößerte es. Nancy siedelte nach England um. Nancy Stafford wurde von ihrem Sohn wie folgt beschrieben: "Sie war sehr gut aussehend, und mit 1,80 Metern sehr groß für eine Frau. Sie hatte honigfarbene Haut, feine Wangenknochen und immer einen aufrechten stolzen Gang. Auf viele Leute machte sie so den Eindruck von etwas Hochnäsigkeit. Sie hatte immer feine lange schwarze Kleider an, deren Saum auf ihren feinen Schnürstiefeln beim Gehen raschelte. Einmal habe ich einen Schuh von ihr gefunden: er war mit weißer Seide verkleidet und hatte eine Schnalle voller Strassdiamanten. In Dürrheim hatte sie eine riesige Kiste mit Seidenstoffen, viele, viele Ballen. Diese kamen von Patienten, die ihre Rechnung nicht bezahlen konnten, so zahlten sie eben in Naturalien. Sie war eine perfekte Dame in jeder Beziehung". Sie verstarb 1933 mit knapp 80 Jahren in ihrem wunderschönen viktorianischen Herrenhaus in Devon, Südengland. Dort wurden vor einigen Jahren Szenen für Rosamunde-Pilcher-Filme gedreht.