Wilfried Gliem (ganz rechts) von den Wildecker Herzbuben hat vor seiner Showkarriere in der Versicherungsbranche gearbeitet. Foto: dpa

Die Wildecker Herzbuben zeigen beispielhaft, wie Schlagerstars ihre Erfahrungen in einem nichtkünstlerischen Beruf nutzen können.  

Man hätte es manchem Schlagerstar vielleicht nicht zugetraut. Aber viele von ihnen haben vor ihrer Karriere im Showgeschäft einen bürgerlichen Beruf ausgeübt oder zumindest gelernt. So wie etwa Roy Black, der sich vor 'Ganz in Weiß' an einem betriebswirtschaftlichen Studium versucht hatte. Matthias Reim büffelte einst Germanistik und Anglistik.

Andrea Berg arbeitete vor ihren Erfolgen mit Schlagern lange Jahre als Krankenschwester. Wolfgang Schwalm, die eine Hälfte des Duos Wildecker Herzbuben, ist von Beruf Elektroinstallateur. Und sein Partner Wilfried Gliem ist genauso wie Cindy Berger einst in der Versicherungsbranche tätig gewesen. Ihre beiden Beispiele zeigen exemplarisch, wie wichtig die beruflichen Erfahrungen sein können, die Schlagersänger vor ihrer Karriere im Showgeschäft gemacht haben. Denn, wenn es um die Gestaltung von Künstlerverträgen geht, lässt sich Wilfried Gliem nicht so leicht etwas vormachen. 'Da kann ich schon sehr genau werden', macht er, der die andere Hälfte des Duos Wildecker Herzbuben verkörpert, klar.

Von 1965 bis 1968 absolvierte er eine Ausbildung zum Bürokaufmann

Und daher, so der 66-jährige, seien er und sein Gesangspartner Wolfgang Schwalm noch nie von einem Veranstalter oder einer Plattenfirma über den Tisch gezogen worden. Bald nachdem die beiden 1989 als Wildecker Herzbuben mit dem Titel 'Herzilein' zu Stars der volkstümlichen Musik avanciert sind, bemerkte Gliem, dass bei ihrer neuen Plattenfirma außer ihm und dem gelernten Diplom-Kaufmann Dieter Bohlen nur wenige andere Künstler ihre Verträge überhaupt durchgelesen haben, bevor sie diese unterschreiben sollten. Kein Wunder, Gliem kamen dabei seine Erfahrungen aus den Berufen zugute, die er vor seiner Zeit im harten Showgeschäft gelernt und ausgeübt hatte. Von 1965 bis 1968 absolvierte er eine Ausbildung zum Bürokaufmann, studierte später vier Jahre Betriebswirtschaftslehre und arbeitete schließlich von 1974 an lange Jahre als Versicherungsvertreter.

Das war für ihn die harte Schule des Verkäufers, der bei seinen Kunden klingelt, um ihnen Versicherungsverträge schmackhaft zu machen, von denen diese meinten, so Gliem heute, dass sie sie gar nicht brauchten. 'Meine Bühne war damals jahrelang das Wohnzimmer der Kunden', erinnert er sich. Da habe er den Umgang mit Menschen geübt, wobei es nicht nur um Fakten gehe, sondern auch darum, psychologisch vorzugehen und die eigenen Sinne zu schärfen. 'Was ich schließlich als Versicherungsverkäufer, aber auch während des betriebswirtschaftlichen Studiums gelernt habe, hat mir später im Showgeschäft enorm genützt', erzählt Gliem, der auch Manager der Wildecker Herzbuben ist.

Und daher würde die Vielfalt seiner Erfahrungen letztendlich immer wieder in die Gestaltung der Verträge des Sänger-Duos einfließen. 'Es gibt dagegen Kollegen, die unterschreiben Verträge, ohne zu wissen, was drinsteht', weiß der Vollblutmusiker. Er, Gliem, lese dagegen alles akribisch durch und stoße auch schon mal auf Fußangeln oder Widersprüche im Kleingedruckten - mit dem Resultat, dass manche Standardverträge von Produzenten oder Veranstaltern inzwischen geändert worden sind. Und wenn gar nichts mehr hilft, kann Gliem durchaus auch auf suggestive Rhetorik zurückgreifen. 'Den Veranstalter zu fragen, ob er denn nicht auch wolle, dass das Publikum einen schönen Abend erlebe, wirkt oft Wunder', sagt er schmunzelnd.

Künstler handeln oft leichtsinnig

Ebenfalls in der Versicherungsbranche war auch Cindy Berger tätig, die vor allem in den 1970er Jahren als weiblicher Part des Schlagerduos Cindy und Bert Erfolge gefeiert hat. Die heute 65-Jährige sammelte von 1967 bis 1971 als Sekretärin bei einer Versicherung wertvolle Erfahrungen, die ihr nach eigenen Worten bei der Buchführung, Terminplanung, Vertragsausfertigung und dem gesamten Schriftverkehr im Showgeschäft sehr nützlich waren. 'Künstler fühlen sich in diesen Bereichen von Natur aus nicht wohl und handeln dementsprechend oberflächlich - oft auch leichtsinnig', weiß Cindy Berger und meint, es sei beruhigend, wenn man eine sichere Basis in Form eines erlernten Berufes erarbeitet hat.

'Ehrlich gesagt' sei die Versicherungsbranche nicht ihr Ding gewesen, gesteht Berger, aber sie habe jede Menge gelernt und bereue daher nichts. Denn schließlich sei das Showgeschäft eine harte Branche, wo der Erfolg nicht allein von der Leistung abhänge, sondern vom Zeitgeschmack. 'Zur richtigen Zeit mit dem richtigen Produkt am richtigen Ort - mit einer ordentlichen Portion Glück', benennt Berger ihre Erfolgsformel und warnt: 'Man kann hoch steigen und schnell ganz tief fallen.' Jungen Musikern legt der Showprofi daher nahe, sich trotz allen Talents um eine Ausbildung in einem nichtkünstlerischen Beruf zu kümmern. Wie sehr einem Künstler die Erfahrungen aus anderen beruflichen Bereichen nützen können, macht nochmals Wilfried Gliem deutlich.

Als einst ein Veranstalter die Gage der Wildecker Herzbuben lautstark mit einem 'Was, mehr kosten Sie nicht?' kommentierte, wurde Gliem misstrauisch und sah das Schuldenverzeichnis beim Amtsgericht ein. Dort wurde offenbar, dass der Veranstalter kurz vor der Pleite gestanden hatte. Die Wildecker Herzbuben haben schließlich dennoch unterschrieben und auch gesungen - allerdings nur gegen Vorkasse. Aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen aus der Zeit vor seiner Showkarriere hatte Gliem wieder mal den richtigen Riecher bewiesen.