Parlament erzwingt Aktuelle Stunde / Regierung soll sich erklären, doch Staatssekretär darf keine Auskunft geben

Von Claudia Lepping Berlin. Der Bundestag widmet sich außerplanmäßig dem wohl geheim beschlossenen Panzer-Export nach Saudi-Arabien, doch das Kabinett ist unvorbereitet. Jetzt fordert sogar die FDP Aufklärung.

Der Mann braucht Stehvermögen. Hans-Joachim Otto ist Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und gestern "die Bundesregierung" schlechthin. Seit einer Stunde und zwanzig Minuten steht der FDP-Politiker am Saalmikrofon und muss bohrende Fragen der Opposition wegen der mutmaßlichen und umstrittenen Panzerlieferung parieren.

Otto ist genervt. Was soll er sagen? Er darf nichts sagen, wie er immer wieder beteuert. Nichts über Inhalte und Beschlüsse jenes geheim tagenden Bundessicherheitsrats in Persona der Bundeskanzlerin und neun ihrer Minister. Nichts darüber, dass dieses Gremium nach unbestätigten Informationen den deutschen Konzernen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall zubilligte, 200 hochmoderne Leopard-II-Panzer an das autoritär regierte Königreich Saudi-Arabien zu verkaufen.

Die deutschen Rüstungsexportrichtlinien verbieten solche Genehmigungen jedoch, sofern die Käufer-Länder in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt sind. Das Regime in Riad war mit Militär- und Polizeikräften an der Niederschlagung von Bürgerprotesten in Bahrain und im Jemen beteiligt.

Otto kontert, es sei Sache der Regierung, "die Menschenrechtslage in ihrem Abwägungsprozess zu berücksichtigen". Ist die Niederschlagung einer Demokratiebewegung Abwägungssache? Die Opposition ist empört. Grüne und Linke wollen nicht schlucken, dass er zu schweigen hat. "Zwar sind die Sitzungen des Bundessicherheitsrats geheim, nicht aber die Ergebnisse seiner Beschlüsse", sagt Christian Ströbele (Grüne). "Im Rüstungsexportbericht steht später ohnehin, an wen welche Waffen geliefert wurden."

Die Opposition hat all ihre Fachpolitiker aufgefahren; allein die SPD hält sich auffallend zurück. Von Union und FDP sind sechs Abgeordnete vertreten. So bleibt es an Otto, dem Liberalen, diese Verbalschlacht zu schlagen. Grünen-Geschäftsführer Volker Beck beantragt, Ottos Chef – Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) – als Mitglied des Sicherheitsrats herbeizuzitieren. Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) erfährt erst hier, dass der Minister unentschuldigt fehlt und in Brüssel weilt.

Über allem schwebt der Einwand: Warum Panzer liefern? Weil Otto dazu schweigt, beantragt die Opposition eine Aktuelle Stunde. Die Parlamentarier werden zusammengerufen; in weiteren zwei Stunden streitet der Bundestag über die Bedeutung der Kontrolle über Kriegswaffen und Rüstungslieferungen an unlautere Regime.

Nun nutzen auch Abgeordnete von FDP und Union die Gelegenheit, um klarzustellen, dass sie Zweifel am Panzerdeal haben. Der Liberale Rainer Stinner hat als einziger Politiker der Regierungsparteien den Mumm, die Regierung aufzufordern, das Parlament über das Geschäft zu informieren – "jetzt, wo alles eben nicht mehr geheim, sondern in der Öffentlichkeit ist".