Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Landkreise aufgefordert, weiter Flüchtlinge aufzunehmen. (Archivfoto) Foto: dpa

Unmittelbar vor dem Flüchtlingsgipfel in Stuttgart hat Ministerpräsident Kretschmann den Aufnahmestopp von Asylsuchenden in Esslingen kritisiert. Laut Kretschmann sei die Aufnahme ein "Gebot der Mitmenschlichkeit“. Esslingens Landrat bleibt aber bei seiner Haltung.

Kehl - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) setzt bei der schwierigen Unterbringung neu ankommender Asylbewerber auf das Engagement der Landkreise. Zum Flüchtlingsgipfel und den Beratungen bis zum Montagabend erwartete der Regierungschef um die 30 Vertreter aus der Landespolitik, von kommunalen Spitzenverbänden, Flüchtlingsorganisationen und Kirchen. Kretschmann signalisierte den Kommunen, mehr Geld für die Flüchtlingshilfe bereitzustellen. Zudem forderte er bereits vor Beginn des Treffens mehr Unterstützung des Bundes etwa bei der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen und auch eine andere Verteilung der Asylbewerber innerhalb Europas.

Einen Stopp der Flüchtlings-Aufnahme wie vom Kreis Esslingen angekündigt hält der Regierungschef für falsch. „So etwas ist nicht hilfreich in so einer Situation. Denn es führt zu keiner Lösung“, sagte Kretschmann in Kehl (Ortenaukreis), wo am Montagmorgen der Landkreistag zusammenkam. Nehme Esslingen keine Flüchtlinge mehr auf, müssten andere Kreise diese Last übernehmen. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen sei die Aufnahme ein „Gebot der Mitmenschlichkeit“.

Bis zu 26 000 Flüchtlinge sollen 2014 nach Baden-Württemberg kommen - weit mehr als noch zum Jahresanfang erwartet. Auch die Bundespolizei berichtete, dass der Zustrom nicht abreise. Erst am Wochenende kamen 33 Asylsuchende aus Krisenländern mit Zügen in die Ortenau, darunter Syrer und Menschen aus Burkina Faso und dem Kongo. Laut Polizei berichtete ein Flüchtling, er habe für die Überfahrt 2000 US-Dollar (etwa 1600 Euro) an einen Schleuser bezahlt.

Der Landkreis Esslingen hat als erster in Deutschland angekündigt, vom 15. Oktober an keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen. „Jeder muss zu Anstrengungen bereit sein, aber auch zu Kompromissen“, sagte Kretschmann vor dem Flüchtlingsgipfel am Nachmittag. Wegen der hohen Kosten werde das Land auf die Kreise zugehen und eine Erhöhung der Finanzspritzen für die Flüchtlingshilfe prüfen. „Nur wenn die Bevölkerung verlässlich spürt, dass wir alle zusammenrücken und gemeinsam diese große Herausforderung meistern und stemmen, werden Flüchtlinge in unserer Mitte auf Verständnis stoßen“, meinte er.

Der Landkreistag stellte sich bei seiner Jahrestagung in Kehl hinter den Kreis Esslingen. „Es liegt nicht am Wollen. Sondern es geht da, wo es wirklich nicht mehr geht, um Können“, sagte der Präsident des Verbandes, der Tübinger Landrat Joachim Walter (CDU). Die Landkreise hätten früh auf das Problem aufmerksam gemacht. Die Landesregierung müsse rasch die Rahmenbedingungen ändern und den Kreisen mehr Geld für Flüchtlinge bereitstellen. Kretschmann räumte in der „Welt“ ein, auf die rasant steigenden Zahlen nicht vorbereitet gewesen zu sein.

Der Esslinger Landrat Heinz Eininger (CDU) sagte, sein Kreis werde bei der Entscheidung bleiben. Mit seinem angekündigten Aufnahmestopp sei er deutschlandweit auf positive Resonanz gestoßen, aus anderen Kommunen erhalte er Zustimmung. „Das zeigt, wie groß die Not in den Kommunen ist.“ Nicht nur Esslingen stoße bei der Flüchtlingsunterbringung finanziell und räumlich an seine Grenzen.

Landtagspräsident Guido Wolf (CDU), der Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl 2016 werden will, sagte: „Die Kreise haben ein Recht darauf, dass ihre Alarmrufe auch ankommen und gehört werden.“

Von der Bundesregierung forderte Kretschmann vor dem Gipfel mehr Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie rechtliche Änderungen beim Baurecht, damit Flüchtlingsunterkünfte beispielsweise auch in Gewerbegebieten angesiedelt werden können. CDU-Landeschef Thomas Strobl kündigte eine massive Aufstockung des Personals beim Bundesamt an: Aktuell habe der Bund 300 zusätzliche Stellen geschaffen, sagte er den „Stuttgarter Nachrichten“ (Montag). Im Haushalt für 2015 seien weitere 50 Stellen vorgesehen. „Und ich kämpfe gerade dafür, dass zusätzlich noch eine dreistellige Anzahl an Stellen obendrauf kommt.“

Die Caritas in der Erzdiözese Freiburg bezeichnete den Flüchtlingsgipfel als wichtiges Signal und hält ein „Handeln Hand in Hand“ für notwendig. Der Flüchtlingsrat schlägt vor, dass das Land mit den anderen Organisationen, Kirchen und Verbänden eine Kampagne mit dem Titel „Willkommen in Baden-Württemberg“ ins Leben ruft.