Grünenchef Cem Özdemir war am Donnerstag beim NSU-Prozess in München. Foto: dpa

Die SPD ist sauer und fragt sich, "ob Herr Özdemir durchgeknallt ist". Der Grünenchef hatte dem baden-württembergischen Innenminister Gall vorgeworfen, im Fall der vom NSU ermordeten Polizistin Michele Kiesewetter mangelnden Aufklärungswillen zu zeigen.

Die SPD ist sauer und fragt sich, "ob Herr Özdemir durchgeknallt ist". Der Grünenchef hatte dem baden-württembergischen Innenminister Gall vorgeworfen, im Fall der vom NSU ermordeten Polizistin Michele Kiesewetter mangelnden Aufklärungswillen zu zeigen.

Stuttgart/München - Grünen-Parteichef Cem Özdemir hat Innenminister Reinhold Gall (SPD) mangelnden Aufklärungswillen bei den NSU-Morden vorgeworfen und damit für Empörung bei der SPD gesorgt. „Es kann nicht sein, dass sich ein sozialdemokratischer Innenminister dagegen wehrt, dass ein Untersuchungsausschuss einen faschistischen Mord an einer Polizistin aufklärt. Was würde Willy Brandt dazu sagen?“, sagte Özdemir am Rande des NSU-Prozesses am Donnerstag in München. Er bezog sich dabei auf den Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter 2007 in Heilbronn.

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel wies den Vorwurf scharf zurück. „Dieser Vorwurf ist so unsinnig und abstrus, dass man sich fragt, ob Herr Özdemir durchgeknallt ist.“ Schmiedel forderte Özdemir auf, diesen „Unsinn“ zurückzunehmen. Galls Sprecher sagte, es sei „beschämend“, wenn Özdemir dem Minister unterstelle, den Mord an der Polizistin nicht aufklären zu wollen.

Özdemir: Mord "mitnichten aufgeklärt"

Özdemir hatte gesagt, der Mord an Kiesewetter sei „mitnichten aufgeklärt“. Nach dem Abschlussbericht des Thüringer U-Ausschusses sei „ziemlich offensichtlich, dass im Fall Kiesewetter mehr Fragen offen als beantwortet“ seien.

Der Grünen-Bundeschef forderte die Landtagsfraktionen in Stuttgart auf, gemeinsam einen Untersuchungsausschuss zu beschließen. Bislang gibt es im Landtag nur eine Enquetekommission, die aufarbeiten will, welche Konsequenzen aus der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zu ziehen sind.

Dem NSU werden zehn Morde in den Jahren 2000 bis 2007 zugerechnet - an Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und an Kiesewetter. Nach den Erkenntnissen der Ermittler hatten die Rechtsterroristen umfangreiche Verbindungen nach Baden-Württemberg und waren auch mehrmals im Südwesten zu Besuch.

Schmiedel spielt Ball an Berlin zurück

Schmiedel erinnerte daran, dass Ermittlungen im Fall Kiesewetter beim Generalbundesanwalt liegen. Eine von Gall eingesetzte Sonderkommission sei jeder möglichen Spur nachgegangen. Auch der NSU-U-Ausschuss im Bundestag habe die Akten zum Mordfall Kieswetter gehabt - auch er sei zu keinen belastbaren Ergebnissen gekommen. „Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor. Deshalb könnte ein Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg nicht mehr erreichen, als der Bundestags-Untersuchungsausschuss erreicht hat.“ Die grün-rote Koalition sei sich aber einig darüber, dass der Einsatz eines U-Ausschusses erneut geprüft werde, falls es neue Erkenntnisse gebe.

Die Grünen im Landtag hatten eigentlich einen Untersuchungsausschuss befürwortet - sie waren aber auf Druck des roten Koalitionspartners auf die Enquete umgeschwenkt. Grünen-Innenexperte Uli Sckerl forderte am Donnerstag alle Beteiligten auf, sich in der Wortwahl zu mäßigen. Er erinnerte daran, dass die Enquete-Kommission einen wichtigen Beitrag zur weiteren Aufklärung und zum gesellschaftlichen Engagement gegen Rechtsextremisten leisten könne - wenn sich alle an den Auftrag der Kommission hielten.

Damit spielte er auf das aktuelle Tauziehen der Enquete mit Gall an, bei dem es darum geht, wer am 22. September vor dem Gremium aussagen kann und darf. Die Enquete will Beamte befragen, die mit den Ermittlungen zum Kiesewetter-Fall betraut waren - Gall hat juristische Bedenken. Im Gegensatz zu einem U-Ausschuss kann eine Enquete keine Zeugenaussagen erzwingen..