Stuttgarter Architekten lieferten das Grundkonzept für 60 Prozent des Viertels in Dubai. Foto: Kieferle&Partner

Sogar Dubai erlitt einen Dämpfer durch die globale Finanzkrise. Aber längst wird am Persischen Golf wieder gebaut. Das Architekturbüro Kieferle und Partner lieferte die Pläne für ein ganzes Stadtquartier. Von Auslandsaufträgen profitieren auch andere Stuttgarter Büros.

Sogar Dubai erlitt einen Dämpfer durch die globale Finanzkrise. Aber längst wird am Persischen Golf wieder gebaut. Das Architekturbüro Kieferle und Partner lieferte die Pläne für ein ganzes Stadtquartier. Von Auslandsaufträgen profitieren auch andere Stuttgarter Büros.

Stuttgart - Es ist ein Riesending für das Stuttgarter Architekturbüro Kieferle und Partner: Direkt am Dubai Creek, einer Art von Meeresausläufer zwischen zwei Stadtteilen von Dubai, entsteht ein komplettes neues Stadtquartier. Mit einem Fünfsternehotel mit 490 Zimmern, einem Viersternehotel, Kongressräumen, einem Einkaufszentrum, Büros, einem Sportclub und Marina-Club mit Bootsliegeplätzen.

Ein künstlich angelegter Kanal soll sich durch das Gelände ziehen und eine Insel an der Spitze der Halbinsel umschließen. Jewel of the Creek heißt das Projekt, also Juwel am Dubai Creek. Das Bauprojekt wird sich vermutlich über vier Bauabschnitte erstrecken. Im Jahr 2019 soll alles fertig werden.

Mit 12,5 Hektar Fläche wird das neue Dubaier Stadtquartier nicht ganz so groß werden wie das A1-Gebiet von Stuttgart 21 hinter dem Hauptbahnhof. Mit einer Bruttogeschossfläche von rund einer Million Quadratmetern kann man es trotzdem sehr stattlich nennen. Und das Büro Kieferle und Partner, das schon den städtebaulichen Gesamtentwurf und das Nutzungskonzept entwickelt hatte, kümmert sich um die Ausführungsplanung für gut 60 Prozent des Viertels. Für die anderen Bauten ist die bayerische Firma Klingconsult verantwortlich.

Statt Autolärm nur Golfwägelchen und Wassertaxis

Die Projektentwickler in Dubai lassen sich das Juwel rund 650 Millionen Euro kosten. Etwa 100 Millionen Euro waren allein schon für den ersten Bauabschnitt geplant. Die Parkplätze sind alle unterirdisch. Das neue Stadtquartier soll autofrei sein. Oben verkehren Golfwägelchen und Wassertaxis.

Die riesige Tiefgarage ist im Rohbau inzwischen fertig und damit der erste Bauabschnitt mit vier Untergeschossen. Das ist die Garantie, dass es weiter geht. Danach sah es nicht immer aus.

Gemeinsam mit Klingconsult hatte das Kieferle-Team 2005 den Wettbewerb gewonnen. Aber bald geriet das Projekt ins Stocken. 2010, im Jahr nach dem Ausbruch der globalen Finanz- und Schuldenkrise, stieg die Projektentwicklerin, die dem Herrscherhaus unterstehende Dubai International Real Estate, voll auf die Bremse. Rechnerisch war die Fertigstellung da bereits zwei Jahre überfällig. Erst Anfang 2011 kam das Projekt, leicht verändert, wieder in Gang. Die Banken drehten den Geldhahn auf.

Georg Kieferle konnte aufatmen und sich freuen. „So ein Auftrag wird sich nicht so schnell wiederholen“, sagt der Gründer des Stuttgarter Architekturbüros. Und er meint damit nicht so sehr die Lage des letzten „Filetgrundstücks“ am Dubai Creek, nah am Zentrum der Stadt, in der in den letzten Jahrzehnten die Wolkenkratzer um sich griffen. Kieferle meint auch nicht die noble Nachbarschaft durch den Dubai Creek Golf- und Yachtclub. Er meint die Dimension des Projekts.

So locker sitzt das Geld auch in Dubai nicht

In Dubai hat das Arbeitsbeschaffungskonzept von Kieferle und Partner damit erneut und besser denn je funktioniert. „Daheim bei uns ist es schwieriger geworden“, resümiert Kieferle die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, „da ist man über Aufträge im Ausland froh.“ Auch wenn die Honorare am Persischen Golf frei ausgehandelt werden, sich nicht aus einer unumstößlichen Honorarordnung ergeben. Auch wenn sich die arabischen Auftraggeber nach Kieferles Erfahrung oft zögerlich von dem Geld trennen, das als Honorar vereinbart wurde. „Dass nicht gleich bezahlt wird, das gibt es inzwischen auch hier bei uns“, sagt Kieferle.

Dass deutsche Architekten in die Ferne schweifen, weil für sie das Gute heutzutage nicht immer nah ist, ist natürlich kein ganz neues Phänomen mehr. Auch andere Stuttgarter Büros praktizieren das seit langem. Das Projekt in Dubai illustriert aber gut, wie sehr Architekten heutzutage Verkäufer sein müssen.

Im Grunde, sagt Kieferle, begann dieses Projekt mit einer Reise, die er vor Jahren absolvierte. Mit einer Delegation um den damaligen Wirtschaftsstaatssekretär Horst Mehrländer (FDP) flog er zum Persischen Golf. Kieferle, der Architekt und baden-württembergische Honorarkonsul der Republik Chile, machte Bekanntschaft mit den Scheichs. Später habe er mit seiner Tochter, Cornelia Kieferle-Nicklas, bei der Immobilienmesse Expo Real die Teilnahme am Planungswettbewerb für das Juwel am Fluss ins Visier genommen.

20 Mitarbeiter in Riad, 15 in Stuttgart

Kieferles Tochter spann die Fäden in Dubai weiter. Sie war dort schon im Jahr 2004 tätig geworden – weil im Krisenjahr 2003 in Stuttgart klar geworden war, dass man im Ausland Arbeit suchen muss für das Büro. Mehrjährige berufliche Vorerfahrungen aus der saudischen Hauptstadt Riad halfen der Architektin, den Büroableger in Dubai aufzubauen. Inzwischen hat man dort 20 Mitarbeiter, sagt Kieferle, in Stuttgart 15.

Auch andere Architekturbüros in der Landeshauptstadt kümmern sich um Aufträge in aller Welt. Werner Sobek ist dafür bekannt. Aber auch Behnisch Architekten und das Büro des ehemaligen Behnisch-Partners Haas oder das Büro Auer und Weber fallen den Mitarbeitern der Architektenkammer in dem Zusammenhang ein. Das Büro arcass betätige sich weltweit auf dem Sektor Krankenhäuser, heißt es bei der Kammer. Heinle, Wischer & Partner kümmern sich ebenfalls rund um den Erdball um Krankenhäuser, Bildungsbauten und Labors.

Das Büro Blocher & Blocher wird vor allem mit Einkaufszentren auf der ganzen Welt in Verbindung gebracht. Das Büro LAVA hat sich visionärer Architektur verschrieben und ist in Arabien und Asien aktiv.

Es handelt sich um einen recht exklusiven Zirkel. Der prozentuale Anteil der Büros, die im außereuropäischen Ausland tätig sind, sei stets im unteren einstelligen Prozentbereich, weiß man in der Architektenkammer.