Alzheimer ist noch nicht heilbar – doch eine wirksame Vorbeugung ist möglich, sagen Demenz-Forscher. Foto: dpa

Viele sind vergesslich – vor allem im Alter. Doch der Grad zwischen normaler altersbedingter Vergesslichkeit und einer beginnenden Demenz ist schmal. Deswegen konzentrieren sich derzeit viele Forscher auf die Methoden der Früherkennung und der Prävention.

Dresden/Leipzig - Lieber tot als dement. So würden mehr als die Hälfte der Bundesbürger nach einer Umfrage der Deutschen Krankenversicherung DKV entscheiden – wenn sie tatsächlich eine Wahl hätten. Zu groß ist die Angst, dass einem nach und nach erst die Erinnerung und schließlich auch die Persönlichkeit abhanden kommt. Dass diese Ängste nicht aus der Luft gegriffen sind zeigen die Zahlen der Deutschen Alzheimergesellschaft, die sie zum heutigen Welt-Alzheimer-Tages veröffentlicht hat: Derzeit leben 1,4 Millionen Menschen mit einer Demenz in Deutschland. Und jedes Jahr kommen 200.000 Neuerkrankungen hinzu. Prognosen zufolgen wird die Zahl der Betroffenen bis 2050 auf drei Millionen steigen – wenn kein Durchbruch in der Therapie gelingt.

Kein Wunder also, dass bei jeder kleinen Gedächtnislücke die Sorge wächst, irgendwann der Vielzahl der Betroffenen anzugehören: Jeder verlegte Schlüssel, jeder Gang in den Keller, der damit endet, dass man vergessen hat, was man dort unten eigentlich wollte, führt vor allem bei älteren Menschen dazu, sich zu fragen: Ist das noch normal?

Erste Anzeichen

Erste Anzeichen

Der geistige Abbau gehört zum Altern dazu, beruhigen Hirnforscher wie Thomas Arendt. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Alzheimer Forschung Initiative (AFI) und Institutsleiter des Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung in Leipzig. Als Experte spricht er nicht von Altersvergesslichkeit, sondern von einer kognitiven Störung, der die Vergesslichkeit lediglich angehört. „Überschreitet das Ausmaß der Vergesslichkeit einen gewissen Punkt, beispielsweise dass man etwa wiederholt nicht nach Hause findet, ist sie krankhaft“, sagt Hirnforscher Arendt. Insbesondere bei Betroffenen der Alzheimerkrankheit gesellen sich zu den Gedächtnislücken und der allgemeinen Orientierungslosigkeit oft Sprachprobleme und Stimmungsschwankungen. Denn die Erkrankung kann von verschiedenen Regionen des Gehirns ausgehen.

Diagnose

Diagnose

Vielmehr, als sich auf eher subjektive Eindrücke zu verlassen, bleibt Betroffenen nicht, um herauszufinden, ob ihr Verdacht einer Demenz begründet ist oder nicht. Zwar gibt es insbesondere bei der Demenzform Alzheimer ein typisches Krankheitsbild, das sich vor allem in Eiweißablagerungen im Gehirn wie den Amyloid-Plaques und Fibrillen zeigt, sagt Thomas Arendt. Nur könne man diese bei lebenden Betroffenen mit Methoden nachweisen, die bislang lediglich der Wissenschaft vorbehalten sind. Für Routine-Untersuchungen sind diese nicht geeignet.

Bei Fachärzten für Psychiatrie und in Gedächtnisambulanzen dienen medizinische und neurologische Tests der Diagnosefindung. Dazu gehört beispielsweise der bekannte Uhrzeichentest, bei dem die Patienten erst die Ziffern und dann eine bestimmte Uhrzeit aufmalen sollen. Ebenfalls weit verbreitet ist der sogenannte Mini Mental Status Test. Mit dessen Hilfe wird unter anderem die Gedächtnis- und Sprachleistung, das Orientierungsvermögen und das Erkennen von Gegenständen geprüft.

Es folgen klinische Untersuchungen, um körperliche Ursachen wie hormonelle Störungen, Durchblutungsstörungen, Depressionen oder Stoffwechselstörungen auszuschließen, die ebenfalls zu Demenz führen können. Auch das Nervenwasser wird auf typische molekulare Veränderungen getestet. Zudem rät der Experte Arendt das Gehirn mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie beispielsweise einem Kernspintomografen untersuchen zu lassen, um eine gefäßbedingte Demenz oder einen Tumor als Ursache für die Vergesslichkeit auszuschließen.

Therapie

Therapie

Auch wenn die Diagnostik mittlerweile weit fortgeschritten ist, so ist die Wissenschaft bei der Therapie von Demenz und insbesondere der Alzheimerkrankheit am Anfang. Noch immer ist die Ursache der Erkrankung nicht bekannt und kann somit auch nicht behandelt werden – wohl aber die Symptome. So ist bekannt, dass die Alzheimer-Demenz mit einer irreparablen Schädigung und Zerstörung von Nervenzellen einhergeht, so dass die Reizübertragung zwischen den Zellen gestört ist. Inzwischen gibt es Medikamente, sogenannte Antidementiva, die das Zusammenspiel und somit auch die Reizübertragung wieder zwischen den Zellen stabilisieren. Damit ist zwar keine Heilung möglich. Doch die Therapie kann das Fortschreiten der Hirnstörung verlangsamen und die Symptome lindern.

Forschung

Forschung

Die Pille oder gar den Impfstoff gegen das Vergessen wird es wohl in naher Zukunft nicht geben. Dafür gibt insbesondere die Alzheimer-Erkrankung zu viele Rätsel auf. „Wir wissen beispielsweise nicht ob alle Menschen, bei denen es diese typischen Eiweißablagerungen im Gehirn gibt, auch tatsächlich irgendwann Alzheimer bekommen“, sagt Thomas Arendt. Es sei zwar klar, dass diese Amyloid-Plaques eine Rolle spielen, aber eben nicht welche. „Es könnte auch durchaus sein, dass die Verklumpungen nur ein Symptom sind.“ Weshalb der Hirnforscher gegenüber den Bemühungen seiner Göttinger Kollegen, einen Impfstoff gegen Alzheimer zu entwickeln, skeptisch ist.

Das Serum, das derzeit noch in der Erprobungsphase ist, soll dazu führen, dass sich im Körper der Alzheimer-Patienten Antikörper bilden, die die Eiweißverklumpungen im Gehirn auflösen sollen. Zwar gab es erste erfolgreiche Tests am Menschen, doch bislang ist noch keine Verbesserung des Geisteszustands festgestellt worden. Was aber auch daran liegen könnte, dass bei den Patienten die Krankheit schon zu weit fortgeschritten ist, als dass sich die geschädigten Nerven erholen hätten können.

Weniger umstritten unter Alzheimer-Forschern sind Bluttests, die als eine Art Vorsorge-Untersuchungsmethode eingesetzt werden könnten. Bei diesen Tests nutzen die Forscher bestimmte Signaturen im Blut, also Muster von Molekülen, die sie eindeutig der Krankheit zuordnen können. Der Leipziger Hirnforscher Arendt dagegen versucht über Veränderungen in den weißen Blutkörperchen Alzheimer nachzuweisen. Doch bis zur Markteinführung wird es wohl noch dauern: „Bislang ist keiner der Tests so evaluiert, dass er hält, was er verspricht“, sagt Arendt.

Vorbeugung

Vorbeugung

Auch wenn die Reise ins Vergessen noch immer unaufhaltsam erscheint, kann man der Demenz vorbeugen. So kommt es, das manche Menschen trotz ihres genetischen Risikos niemals erkranken, andere dagegen dement werden, obwohl ihre Erblast eigentlich gering ist. Wissenschaftler gehen dabei vom sogenannten Diathese-Stress-Modell aus – dem Zusammenspiel der genetischen Veranlagung (Diathese) und den äußeren Faktoren (Stress), die der Mensch mal mehr, mal weniger kontrollieren kann. Beispielsweise erhöhen Hirnschäden, die man aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit erlitten hat, das Risikos. Das zeigte 2012 eine Langzeitstudie bei amerikanischen Footballspielern. Zu den leichter beeinflussbaren Faktoren gehört die Ernährung: „Klar nachgewiesen ist, dass Fettleibigkeit, Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte oder Rauchen die Gefahr einer Alzheimererkrankung verdoppeln“, sagt Arendt.

Auch die Bildung hat offensichtlich Einfluss darauf, ob jemand an Alzheimer erkrankt oder nicht. So stellten amerikanische Forscher unlängst folgende Faustformel auf: Je höher der Bildungsgrad eines Menschen ist, umso länger kann er einer Alzheimer-Erkrankung trotzen, die sich im Gehirn bereits abzeichnet. Auch der Alzheimer-Experte Thomas Arendt ist überzeugt, dass eine schlechte Ausbildung das Erkrankungsrisiko um das Dreifache erhöht.

Doch ein wacher Geist schützt nicht allein vor Demenz. So erklärte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie am vergangenen Mittwoch, dass Gehirnjogging erst im Zusammenhang mit richtigen Ausdauersportarten die Durchblutung des Gehirns so steigern, dass die verloren geglaubten Nervenkontakte wieder sprießen. „Man muss nicht gleich einen Marathon laufen“, sagt Gerd Kempermann vom deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Dresden. Aber wer im Alter auch Tanzstunden besucht, täglich spazieren geht oder Rad fährt, vergisst weniger schnell.

Die Vorbeugung gegen Demenz ist eben ein Langzeitprojekt, bestätigt der Leipziger Hirnforscher Arendt. Und das sollte nicht erst im Alter begonnen werden.