Politiker und Bürger ziehen in Sachen "Abschiebestopp nach Afghanistan" an einem Strang. Unser Bild zeigt sie beim Unterschreiben der Resolution. Foto: Bausch

Politiker und Bürger beschließen Resolution an Landesregierung. Flüchtlinge aus Afghanistan sollen bleiben dürfen.

Althengstett - Die sich rapide verschlechternde Sicherheitslage hat dazu geführt, das Abschiebungen in das krisengeschüttelte Afghanistan umstritten sind. In Althengstett kamen deshalb nun Befürworter eines Abschiebestopps zusammen.

Die aktuelle Lage in Afghanistan ist unübersichtlich und auch für Zivilisten gefährlich. Erst Ende Mai starben bei einem Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul mehr als 150 Menschen. Da war es kein Wunder, dass der Versammlungsraum der Althengstetter Gaststätte "Zum Trollinger" aus allen Nähten platzte.

Die zahlreichen Besucher waren auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken (SPD) gekommen, um das aktuelle Problem zu diskutieren. An der Veranstaltung nahmen auch der Bundestagskandidat der Grünen, Andreas Kubesch, und der Leiter des Sozialunternehmens Erlacher Höhe, Andreas Reichstein, teil.

Resolution an Landtag

Nach intensiver Aussprache einigten sich die Teilnehmer auf den Text einer Resolution, die jetzt der Landesregierung von Baden-Württemberg zugestellt wird.

"Wir fordern die Landesregierung Baden-Württemberg auf, durch einen sofortigen Abschiebestopp nach Paragraf 60a, Absatz eins, Aufenthaltsgesetz sicherzustellen, dass in den nächsten Monaten mit Ausnahme von Menschen, die schwere Straftaten begangen haben oder von denen eine terroristische Gefährdung ausgeht, niemand nach Afghanistan abgeschoben wird", lautet der Kernsatz des Schreibens. In der Resolution werden die Landesregierung und alle verantwortlichen Politiker dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass der Bundesinnenminister aus humanitären Gründen weiterhin Aufenthaltsgewährung erteilt.

Außerdem fordern die Unterzeichner die EU auf, das Abschiebeabkommen mit Afghanistan sofort zu beenden und "die Milliardenzahlung zu stoppen", da das Geld nicht bei den bedürftigen Menschen in dem Land am Hindukusch ankomme.

"Dieses Geld fließt in korrupte Strukturen und kein Euro hilft den betroffenen Menschen", so Esken. Die Bundestagsabgeordnete unterstrich, dass das Treffen keine Wahlkampfveranstaltung sei. Deshalb sei auch kein Werbematerial ausgelegt. "Es wäre für mich überaus wünschenswert, dass wir mehr parteiübergreifende Themen aufnehmen würden", hob Kubesch hervor. Wie beide Politiker betonten, sei Afghanistan derzeit zu gefährlich, um Menschen dorthin zurückzubringen.

Reichstein, der zusammen mit Fachkräften in der sozialen Einrichtung Erlacher Höhe Calw 30 unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge betreut, setzt sich vehement für deren Bleiberecht ein. Bisher sei dies erst nach fünf Jahren, nämlich nach einer dreijährigen Ausbildung und zwei sich anschließenden Jahren in einem regulären Arbeitsverhältnis, möglich.

Etwas Gegenwind

Die Althengstetter Gemeinderätin Ute Steinheber (CDU) brachte etwas Gegenwind in die sonst recht einträchtige Meinungslage der Anwesenden. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin des Althengstetter Arbeitskreises Asyl sympathisiert mit Boris Palmers neuem Buch "Wir können nicht allen helfen". Auch für Steinheber gibt es bei der Aufnahme von Flüchtlingen Grenzen der Belastbarkeit.

Der Tübinger Oberbürgermeister Palmer habe es gewagt, "Themen anzusprechen, an die wir uns in den letzten beiden Jahren nicht getraut haben", hob Kubesch hervor. "Wir müssen eine gewisse Konsequenz und Härte zeigen, sonst sind wir zu lasch und werden ausgenutzt", forderte Steinheber. Das an Afghanistan gezahlte Geld für die Rücknahme der Flüchtlinge werde nicht zur Verbesserung der Infrastruktur in dem Land verwendet, sondern es werde stattdessen zum Kauf für Villen im Ausland für die politische Oberschicht verwendet.

Reichstein widersprach der Behauptung, das zahlreiche der unbegleiteten jungen Flüchtlinge älter seien als diese angeben. Manche seien sogar jünger, wusste er.

In der sich anschließenden Aussprache beklagten sich ehrenamtliche Asylhelfer darüber, dass es wegen der unsicheren Bleibeperspektive zunehmend schwieriger geworden sei, mit den Asylbewerbern zu arbeiten. Viele von ihnen lebten wegen der großen Unsicherheit mit massiven Ängsten. Weiter wurde betont, dass Deutschland arbeitswillige junge Menschen dringend für seinen Arbeitsmarkt benötigt und diese Menschen dennoch oft abgeschoben würden. Andere Teilnehmer rügten die nach ihrer Meinung oft fehlerhaften Entscheidungen der Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die diese aufgrund ihrer manchmal oberflächlichen Ausbildung treffen würden.