Francis Guillaume hat in Neuhengstett unzählige Kleindenkmale erfasst und die Lebensbedingungen der Waldenser erforscht. Foto: Selent-Witowski Foto: Schwarzwälder-Bote

Francis Guillaume berichtet bei Führung am 13. April von Lebensumständen der Glaubensflüchtlinge / Kleindenkmale erfasst

Von Marion Selent-Witowski

Althengstett-Neuhengstett. Wenn Francis Guillaume ein Ziel vor Augen hat, kann er hartnäckig sein. Vor allem, wenn es um die Geschichte der Waldenser geht. Diese gilt zwar in großen Teilen als hinreichend erforscht, doch der Neuhengstetter gräbt immer wieder neue Fakten aus.

Die Waldenser waren bitterarm und hinterließen kaum schriftliche Zeugnisse. Deshalb ist "über das alltägliche Leben in den württembergischen Waldenserkolonien im 18. und 19. Jahrhundert nur wenig bekannt", schreibt Albert de Lange, einer der großen Kenner der Geschichte der Glaubensflüchtlinge, im Vorwort zu seinem Buch über Jean Henry Perrot, den letzten waldensischen Schulmeister in Württemberg. Der Lehrer wird ein Thema der Führung sein, die Guillaume am 13. April im Namen der Forschungskommission des Neuhengstetter Heimat- und Geschichtsvereins "Bourcet" anbietet (siehe "Info").

"Das Schicksal der Waldenser wird meist aus theologischer Sicht beleuchtet. Ich wollte aber als Normalbürger wissen, wie sie damals gelebt haben", sagt Francis Guillaume. Seit dem Jahr 2000 hat der Hobbyforscher nicht nur 134 Mark- und 56 Wegsteine sowie 18 Kleindenkmale erfasst und deren GPS-Koordinaten dokumentiert, sondern im Zuge dessen auch eine Menge über die Menschen in der einstigen Waldenserkolonie erfahren. Guillaume gehört zu den wenigen, die die Inschriften auf den Steinen nicht nur lesen, sondern auch deuten können. Hilfreich bei seiner Arbeit sind die zahlreichen Kontakte, die er im Laufe der Jahre mit Wissenschaftlern in Frankreich und Italien aufgebaut hat. Manchmal fallen dem Neuhengstetter auf diesem Wege wertvolle Schätze in die Hände wie etwa umfangreiche Akten zu Waldenser-Forschungen, die in Lyon 30 Jahre lang in einem Regal vor sich hinschlummerten.

Guillaume wird während der Tour am 13. April unter anderem erklären, warum es bei den reformierten Calvinisten Anfang des 18. Jahrhunderts und reformierten Lutheranern zu Beginn des 19. Jahrhunderts Unterschiede bei der Bestattung gab. Er geht außerdem darauf ein, wie es dazu kam, dass den Waldensern in ihrer neuen Heimat nur Brachland zur Verfügung gestellt wurde: "In Neuhengstett wurde ihnen sehr schlechter Boden zugewiesen".

Spannendes zur Geschichte der Waldenser in Neuhengstett gibt es auch zu hören, wenn Guillaume auf damalige Probleme mit der Wasserversorgung oder Streitigkeiten mit den Nachbarn in Simmozheim eingeht. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Nur so viel: "Es gibt auch unbequeme Fakten, die bislang kaum bekannt waren, weil sie zurückgehalten wurden", betont der Hobbyforscher.

Religionsfreiheit und Verantwortung für die Gemeinschaft – das sind bis heute für alle Waldenser zwei Dinge von höchster Bedeutung. Mit der Erforschung der Waldenser-Geschichte und ihrem Engagement für den Verein Hugenotten- und Waldenserpfad schlagen die "Bourcet"-Mitglieder einen Bogen in die Gegenwart, denn Themen wie Flucht, Verfolgung, Exil, Integration und Toleranz sind aktueller denn je.

Die kostenlose Führung "Von der Wildnis zur Wachstumsregion" auf dem Neuhengstetter Streckenabschnitt des europäischen Fernwanderwegs Hugenotten- und Waldenserpfad ist für Sonntag, 13. April, geplant. Start ist um 14.30 Uhr am Welschen Häusle in Heumaden. Auf rund viereinhalb Kilometern Wegstrecke erfahren die Wanderer an 16 Stationen Wissenswertes zu den Glaubensflüchtlingen. Die Tour dauert rund dreieinhalb Stunden und endet am Waldenserstein in Neuhengstett.