Fledermäuse spielen für die Zukunft der Hesse-Bahn eine entscheidende Rolle. Foto: Archiv

Hesse-Bahn: Gut besuchte Podiumsdiskussion in Althengstett macht Gesamtproblematik deutlich.

Althengstett - Eine endgültige Lösung, wie Fledermausschutz und der Betrieb der Hermann-Hesse-Bahn vereinbart werden können, wurde am Montagabend freilich nicht gefunden. Die äußerst sachliche Diskussion zwischen Vorhabenträger, Naturschutz und Zuhörern war dennoch hilfreich.

Die zahlreichen Zuhörer in der proppenvollen Aula des Althengstetter Schulzentrums – darunter Besucher aus Pforzheim, Enzklösterle und Altensteig – konnten nämlich klar nachvollziehen, warum Arten- und Klimaschutz sowie wirtschaftliche Interessen bei dem Infrastrukturprojekt heftig aufeinanderprallen. Auf Einladung der örtlichen BUND-Ortsgruppe lieferten Michael Stierle, Projektkoordinator für die Hermann-Hesse-Bahn im Calwer Landratsamt, und Nabu-Landesvorsitzender Johannes Enssle zahlreiche Fakten und vertraten deutlich ihre jeweilige Position. Beide Seiten signalisierten während der von Johannes Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag, moderierten Veranstaltung klar Gesprächsbereitschaft für eine verträgliche Lösung.

"Alles hängt mit allem zusammen"

Enssle erläuterte, warum gerade die Fledermäuse bei der Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke eine zentrale Rolle spielen. Generell schrumpfe die Artenvielfalt weltweit. Zahlreiche Fledermausarten seien in ganz Deutschland und EU-weit gefährdet. Das bringe die Lebensnetzwerke aus der Balance: "Alles hängt mit allem zusammen". Die Hesse-Bahn sei ein sehr sympathisches Projekt, es gefährde im und vor dem Forst- und Hirsauer Tunnel, wo die Tiere ihre Winterquartiere, Jagdhabitate und Schwärmgebiete zur Paarung haben, jedoch vier der bedeutendsten Fledermausquartiere in Baden-Württemberg.

Das Große Mausohr, die Zwergfledermaus, die Mopsfledermaus und das Braune Langohr sind hier unter anderem beheimatet. "Das sind komplexe Lebensgemeinschaften. Die Populationen sind möglicherweise von bundesweiter Bedeutung", so der Nabu-Landesvorsitzende im Hinblick auf das Bundesnaturschutzgesetz. Eine fledermausverträgliche Sanierung beider Tunnel sei fraglich. Züge mit 100 Kilometern pro Stunde durch die Bauwerke fahren zu lassen, gleiche einem Massaker. Man nehme bewusst in Kauf, dass rund 80 Prozent der Tiere getötet würden.

"Die Planer nehmen den gesetzlich verankerten Artenschutz nicht ernst", sagte Enssle. Die richtigen Fragen seien nicht zum richtigen Zeitpunkt gestellt worden und deshalb würden beim Projekt Hesse-Bahn klare Konzepte zum Artenschutz fehlen: "Das ärgert uns maßlos". Wie berichtet, hatte der Nabu deshalb vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss zur Hermann-Hesse-Bahn eingereicht. "Wir gönnen der Region eine gute Anbindung", sagte Enssle außerdem. Die Hesse-Bahn sei aber vor allem mit wirtschaftlichen Interessen verbunden, weil die Kommunen entlang der Trasse attraktiver werden, und kein Klimaschutzprojekt.

Welche Anstrengungen der Landkreis in Sachen Fledermausschutz bislang unternommen hat, skizzierte Stierle. Er betonte, dass die gemeinsame Lösungsfindung ein erster wichtiger Schritt sei, um in der Fledermausfrage voranzukommen. Es habe aufwendige Zählungen und Gutachten gegeben. Man habe einen alten Stollen in Neubulach geöffnet sowie alte Bunker bei der Station Teinach. "Wir schaffen Kapazitäten", so der Projektkoordinator. Die Populationen sollen so gestärkt und Ausweichquartiere geschaffen werden. "Ersatzbunker sind keine Lösung", äußerte sich Enssle. "Bis diese angenommen werden, dauert es möglicherweise zehn bis 20 Jahre. Am einfachsten wäre es, parallel zu den bestehenden neue Tunnel für die Bahn zu bohren".

Christian Dietz von der AG Fledermausschutz Baden-Württemberg kam ebenfalls zu Wort. Fledermäuse hätten eine Art Landkarte im Kopf. neue Quartiere würden sie durchaus erkunden, meist aber wieder in das alte zurückkehren.

Wie Stierle am Montagabend erläuterte, gibt es bislang keine Ausführungsplanung für die beiden Tunnelbauwerke. Es werde keine Totalsanierung, sondern "eine Sanierung im Bestand". Die Innenwände komplett mit Spritzbeton für die Standsicherheit abzudichten, sei wegen der dann fehlenden Entwässerung ohnehin schwierig.

"Klage stellt Hesse-Bahn nicht in Frage"

Um an EU-Fördertöpfe für Artenschutz zu kommen, "fehlt der letzte Schliff", wie Stierle auf eine Frage aus dem Publikum antwortete. Ohne konkrete Maßnahmen könnten keine Fördergelder beantragt werden. In der Fragerunde wurde deutlich, dass auch beim Nabu nicht klar ist, "was Fledermäuse vertragen", wie Zuhörer Thomas Kik aus Stammheim sagte. Enssle nahm dessen Vorschlag für ein Lastenheft, das ein Mindestmaß an Schutzmaßnahmen für die Tiere benennt, dankbar an.

Ob die Klage des Nabu das gesamte Projekt kippen könne, wurde außerdem gefragt. Das könne er nicht definitiv beantworten, so Enssle. "Die Klage stellt die Hesse-Bahn nicht in Frage", ist sich Stierle sicher.