Was für eine Stimme: Jolanda Märki tritt kurz vor Mitternacht ans Mikrofon. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Alle vier Wochen ist Jam-Session / Ständig wechselnde Formationen bieten Unterhaltung vom Feinsten

Von Axel H. Kunert

Althengstett-Ottenbronn. Erster Mittwoch im Monat. Jam-Session im Schwarzen Schaf. Seit 2007 gibt es diese Tradition. Was sich ein wenig nach gemeinsamen Proben ambitionierter Musiker anhört, entpuppt sich an diesem Abend als ein Mini-Woodstock.

Festivalatmosphäre "in einer Nussschale" sozusagen. Über vier Stunden Power-Musik vom Feinsten. In ständig wechselnden Formationen. Und auf Top-Niveau. Namen haben die Formationen, in denen die Musiker miteinander spielen, keine. "15 bis 20 Musiker haben sich angesagt", erzählt Organisator Thomas Brenner beim Aufbau. Er kommt aus Mötzigen bei Nagold. Heute werde aber ebenso die "Tübinger Fraktion" stark vertreten sein. Auch aus Stuttgart und Umgebung sind welche da. Viele Gitarren werden hereingetragen, Schlagzeug, E-Piano. Der große Flügel im Schwarzen Schaf ist heute eher der erweiterte Bar-Tresen. "Manchmal haben wir auch Saxofonisten dabei, eben Blech."

Aber heute ist das einzige Instrument aus Blech eine Mundharmonika. Soll ja aber auch eine Blues-Session werden. Und eine echte Rarität gibt’ s: Eine Frau an der Gitarre. Elena ist ein Gast aus Schweden und hat heute Geburtstag. Das Publikum, das sich an diesem Abend zeitweise besonders dicht durch den urig-hölzernen Kneipen-Saal drängt, improvisiert ein Geburtstags-Ständchen.

Soundcheck? Der dauert beim Jammen weniger als eine Minute. Auch die Umbaupausen erinnern eher an einen Boxen-Stopp in der Formel 1. So haben die Gäste zwischen den Gigs der Formationen, die sich an diesem Abend spontan finden, und die so zwei, drei Songs lang dauern, kaum Verschnaufpausen. Immer "volle Pulle", aber es ist nicht zu laut. Mit Anbrüllen kann man sich auch während der Mini-Konzerte noch mit dem Tischnachbar ganz gut verständigen.

Aber da tauscht man sowieso nur anerkennende Worte für die wirklich gut aufgelegten Instrumentalisten aus. Der 17-jährige Hannes aus Kirchheim beispielsweise. Der kleine Mann hinter dem Mikro liefert ganz großes Theater. Eine unglaubliche Stimme. Und was für ein Talent an der Gitarre!

Thomas Brenner hat ihn mit den anderen Youngsters des Abends auf die Bühne gestellt. "Zeigt uns alten Säcken mal, wie das geht." Luca Sestak am E-Piano ist heute Abend der am besten beschäftigte Musiker, neben Lokal-Matador Jan Sinapius aus Ottenbronn, der immer wieder zwischen Schlagzeug und Gitarre wechselt. Und sich diesmal auch als Sänger seinem Publikum präsentiert. Als Elfjähriger wurde Jan im Schwarzen Schaf entdeckt. Da reichten seine Füßchen hinterm Schlagzeug nicht mal auf den Boden. Mittlerweile ist er 16 Jahre alt, überragt mit seinen 1,84 Metern fast alle anderen und ist schon ein echter alter Hase.

Die Youngster starten mit Blues aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Arbeiten sich mit "Hey Joe" bis in die frühen Siebziger vor. "The Spirit of Woodstock" eben. Die Jungs spielen authentisch, echt. Auch ein bisschen schmutzig. Luca macht aus seinem E-Piano eine Hammond-Orgel. Und die akustische Zeitreise ist perfekt. Pure Lebensfreude in tollen Tönen. Weder das Publikum muss für diesen Spaß Eintritt bezahlen, noch bekommt irgendein Musiker mehr Gage als ein Glas Bier. Schaut man in die Gesichter der Menschen um sich herum: überall dieses Grinsen, ein Dammbruch der Glückshormone.

Zwischendurch gibt es auch harte Rockmusik und weichen Reggae-Sound von den "alten Säcken", die sich dazu das hübsche Geburtstagskind Elena auf die improvisierte Bühne holen. Und dann –es ist bereits Viertel vor Zwölf und keiner weiß, wo die Zeit hingeflogen ist – lockt Thomas Brenner die Chefin des Hauses, Jolanda Märki, ans Mikrofon. Die musikalische Reise ist wieder am Ausgangspunkt angekommen, beim Blues. Ein sehr langsamer Blues, sehr alt, wie man ihn noch von zerkratzten Schelllack-Platten kennt. Und aus Schwarz-Weiß-Filmen. Auch Jolanda gibt sich ganz der Leidenschaft hin. Wieder: Was für eine Stimme!

Dann ist der Rausch der tollen Musik vorbei. Man ist erschöpft nur vom Zuhören. Aber auch voller Euphorie. Musik ist Magie, wenn sie mal nicht Business und nicht Wettbewerb der Musiker um den besten Gig sein muss, sondern nur purer Spaß.