Pfarrer Jörg Schaber übernahm es, im Rahmen des Reformationsfestes die Dorfbibel für Neuhengstett und Ottenbronn offiziell vorzustellen. Fotos: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Religion: Kirchengemeinde setzt die Tradition der Waldenser-Bibeln auf ganz moderne Weise fort

Am Ende machten es die Initiatorinnen des Dorfbibel-Projektes der Kirchengemeinde Neuhengstett-Ottenbronn noch einmal so richtig spannend: Festgottesdienst, Festreden zum Höhepunkt der Luther-Dekade – dann erst kam die Präsentation des sehnlich erwarteten Buches.

Althengstett-Neuhengstett/Ottenbronn. Doch die Festgemeinde im Petrus-Valdes-Haus in Neuhengstett bewies Geduld und Durchhaltevermögen. Zumal es von den Festrednern reichlich Lob für die Gemeindemitglieder gab für das überaus große Engagement, mit dem seit 2011 in der Gemeinde auf das große Luther-Jubiläum hingearbeitet wurde.

Lob vom ehemaligen Gemeindepfarrer

Besonders Lob – zum Beispiel vom ehemaligen Gemeindepfarrer Klaus Dietrich Wachlin – mittlerweile im Ruhestand, aber seinerzeit, wie er es in seinem Grußwort ausdrückte, "Vater" der gemeindeinternen Initiativen zur Luther-Dekade. "Wir waren als Gemeinde die ersten, die sich in der Landeskirche mit dem Luther-Gedenken beschäftigten" – was auch mal so deutlich gesagt werden müsse. Was anfangs zwar noch von anderen belächelt, aber dann zum Vorbild für viele andere Kirchengemeinden geworden sei.

Er sei "auch sehr stolz", was dabei in den vergangenen Jahren aus der Gemeinde heraus an Engagement und Projekten gewachsen sei. Er habe "einen Puls" in dieser Arbeit gespürt, mit der neue Ideen von der Gemeinde mit großer Hingabe aufgegriffen und eigenständig weiterentwickelt wurde – "mit Angelika Holzäpfel als Häuptling und mir als Indianer", womit Wachlin auf die führende Rolle der für die Erwachsenenbildung zuständigen Kirchengemeinderätin in den verschiedenen Projekten zur Luther-Dekade anspielte.

Teilweise beeindruckende Offenheit der Autoren

Eines dieser Projekte: eben die Dorfbibel der Kirchengemeinde Neuhengstett-Ottenbronn – also eigentlich eine "Zwei-Dorf-Bibel". Ein vergleichbares Projekt gibt es und gab es nirgendwo sonst im Luther-Land, womit die Dorfbibel aus Neuhengstett und Ottenbronn als absolut einzigartig gelten kann. 100 Berichte, Erlebnisse, Zeichnungen und Gedanken der Gemeindemitglieder zu für sie wichtigen und prägenden Bibelstellen – mit teilweise "beeindruckender Offenheit" erzählt, wie es Angelika Holzäpfel und Magdalene Geßmann-Benz, die das Layout der Dorfbibel gestaltet hat, ausdrücken, als der erste Ansturm auf ihr endlich geöffnetes Verkaufstischen mit den druckfrischen Bibel-Exemplaren etwas abgeebbt ist. Woraus sich "immer gleich auch sehr intensive Gespräche" mit den jeweiligen Autoren entwickelt hätten, wie beide sich erinnern, wenn diese ihre Beiträge bei ihnen eingereicht hätten.

"Ja, das ging zum Teil sehr tief rein", habe die Beziehungen innerhalb der Gemeindemitglieder spürbar intensiviert. Weil man mehr übereinander erfahren habe, der Umgang dadurch einfach lebendiger geworden sei. Und das vor dem Hintergrund, dass gerade für die Waldenser-Gemeinde in Neuhengstett die Bibel als Bewahrer der eigenen historischen Identität immer schon eine sehr besondere Rolle gespielt hat – wie die in einer Vitrine im Petrus-Valdes-Haus ausgestellte Waldenser-Bibel aus dem 18. Jahrhundert beweist. Geschichte und Geschichten – die Schicksale der Familien wurden hier schon immer in Bibeln festgehalten und dokumentiert, quasi als Gedächtnis und Chronik der Gemeinde.

Wie zum Beispiel in der neuen Dorfbibel als Erleben von Hanne, 67 Jahre alt – für die ihr Konfirmationsspruch "Du nahst dich zu mir, als ich dich anrief und sprachst: Fürchte dich nicht!" (aus: Klagelieder 3,57) als Aufforderung zum und Glauben an das Gebet besondere Bedeutung erfuhr, als ihr Sohn bei einem Motorradunfall lebensgefährlich verletzt wurde. "Immer wieder traten Komplikationen auf und die Ärzte machten uns wenig Hoffnung", schreibt Hanne. Wenn er überhaupt überleben würde, würde er den Rest seines Lebens ein Schwerstpflegefall werden.

"Wie viele Gebete in dieser Zeit für ihn ’nach oben geschickt’ wurden, haben wir zum Teil erst später erfahren. Aber das Wunder ist geschehen", so Hanne weiter in ihren bewegenden Worten: "Entgegen aller menschlichen Weisheit kann er heute wieder ein selbstständiges Leben führen. Was für eine Gebetserhörung!"