Sehr detailliert und auf jedes einzelne Fach bezogen wird der so genannte Lernentwicklungsbericht in Grafiken sowie einem Textteil abgefasst. Die Mappen werden nächste Woche an die Gemeinschaftsschüler ausgegeben. Foto: Selent-Witowski Foto: Schwarzwälder-Bote

Bildung: Althengstetter Lehrerkollegium kritisiert Bericht zur Situation der Gemeinschaftsschulen im Land

"Das kann man pauschal auf keinen Fall so sagen, das ist unfair" – Rektor Hartmut Weber und seine Kollegen reagieren enttäuscht auf jüngste Berichte, wonach die Gemeinschaftsschulen im Südwesten immer noch vorrangig Anlaufstellen für lernschwächere Schüler sind.

Althengstett. Ausgerechnet kurz vor der Anmeldephase für das kommende Schuljahr und bevor kommende Woche die aufwendig erstellten Lernentwicklungsberichte an die Schüler ausgegeben werden, sehen sich der Leiter der Gemeinschaftsschule und sein Kollegium wieder einmal als Spielball politischer Interessen. Die Schüler, vor allem aber die Eltern, würden durch diese Aussagen verunsichert. "Das hört sich fast so an, als seien wir eine Sonderschule", kommentierte Weber gestern im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten den Bericht aus dem Kultusministerium.

Ungleiche Verteilung

Wie in unserer gestrigen Ausgabe berichtet, wechselten auf die von Grün-Rot eingeführte "Schule für alle" im Schuljahr 2016/17 64,3 Prozent (Vorjahr: 62,3 Prozent) Kinder mit einer Empfehlung für die Haupt-/Werkrealschule. Ein gutes Viertel hatte laut Ministerium eine Empfehlung für die Realschule, und Kinder, die auch das Gymnasium besuchen könnten, stellten an den 299 Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg nur 8,4 Prozent (Vorjahr: 10,1 Prozent) der Fünftklässler. Die Befürworter hatten gehofft, dass sich die Schülerschaft zu je einem Drittel aus Jungen und Mädchen mit Werkreal-, Realschul- und Gymnasialempfehlung zusammensetzt. Die neue Schulform war 2012/13 gestartet. Vor allem Werkreal-/Hauptschulen wurden zu Gemeinschaftsschulen.

Zweifel an Zahlen

"Die Aussage, dass die Gemeinschaftsschulen, also auch unsere, hauptsächlich von lernschwächeren Schülern besucht wird, kann so auf keinen Fall getroffen werden", sagte gestern Konrektorin Elke Ruf. Sie kann sich nicht erklären, wie die genannten Zahlen überhaupt zustande kamen. Eine genaue Bezifferung sei hier nicht möglich, "weil wir nur über den Leistungsstand der Grundschüler aus Althengstett Bescheid wissen, die zur Gemeinschaftsschule wechseln".

Bei den zahlreichen Schülern, die aus dem Umland kommen, sei dies natürlich nicht gegeben. Zu Beginn des zweiten Schulhalbjahrs der Klasse 4 sprechen die Lehrkräfte für jedes Kind eine Grundschulempfehlung aus. Darin legen die Lehrkräfte dar, welche Schulart ab Klasse 5 am besten für das Kind wäre. Welche weiterführende Schulart der Sprössling besuchen wird, entscheiden allein die Eltern, die an der weiterführenden Schule keine Auskunft über die Empfehlung geben müssen. Somit kann laut Ruf auf keinen Fall Statistik geführt und eine derartige Aussage über lernschwächere Schüler getroffen werden.

Weber, Ruf sowie ihre beiden Kolleginnen Antonia Ginter und Julia Burkhardt, die Fünftklässler unterrichten, wünschen sich eine differenziertere Sichtweise; eine ebenso detaillierte Beurteilung, wie sie an jeden einzelnen Schüler als so genannter Lernentwicklungsbericht (bisher Zeugnis mit Noten) nächste Woche ausgeteilt wird. Da könne dann beispielsweise genau aufgeschlüsselt nachgelesen werden, dass ein Schüler in Mathematik sich auf Gymnasialniveau, im Fach Deutsch dagegen auf Realschulniveau befinde. Jeder Schüler arbeite auf seinem Leistungsstand und bekomme dafür das entsprechende Material ausgehändigt. Es gebe nicht den starken und den schwachen Schüler, sondern man habe die Stärken des Schülers im Blick und arbeite gleichzeitig an seinen Schwächen. Kinder ein und derselben Klassenstufe seien sehr verschieden.

Pro Lernfach wurde für den Lernentwicklungsbericht eine farbige Balkengrafik gestaltet, mit der auf einen Blick ersichtlich ist, ob sich der jeweilige Schüler auf dem Grundniveau, das in etwa der Hauptschule entspricht, befindet, auf dem mittleren Niveau (Realschule) oder dem erweiterten Niveau (Gymnasium). Ergänzend liegen der Mappe Erläuterungstexte bei, unter anderem zum Lern- und Sozialverhalten, zum Wortschatz oder zum Hör- und Leseverhalten.

"In keiner anderen Schulart ist die Begleitung jedes einzelnen Schülers so intensiv wie bei uns", sagte der Schulleiter. Es sei mitnichten so, dass, wie Kritiker der Gemeinschaftsschule behaupten würden, "unsere Schüler allein vor sich hinarbeiten und viel nur auf sich allein gestellt sind".