Nach rund drei Jahren Vorarbeit ist klar: Neuhengstett wird doch kein Bioenergiedorf. Foto: Fritsch

Projekt Nahwärme scheitert nach harter Vorarbeit. Zu wenig Personal für Gründung einer Bürgergenossenschaft. Mit Kommentar.

Althengstett-Neuhengstett - Mit dem großen Traum von einem Nahwärmenetz in Neuhengstett ist es vorbei. Die Waldensergemeinde war nach jahrelanger Vorarbeit auf dem besten Weg zum Bioenergiedorf. Doch jetzt musste die Bürgergruppe, die das Projekt weit vorangetrieben hatte, die Reißleine ziehen.

"Seit dem 8. April 2014 erstellte eine Gruppe von Bürgern ein tragfähiges Konzept zur Gründung einer Bürgergenossenschaft, das auch bei unserem Bürgermeister Interesse und Unterstützung fand. Das Projekt war auf einem positiven Weg. Es wurde jedoch dringend Verstärkung aus den Reihen der Bürgerschaft gesucht, da ohne weitere Aktive die guten Voraussetzungen für die Schaffung eines Nahwärmenetzes nicht umgesetzt werden können", heißt es in einer Mitteilung der Bürgergruppe Nahwärme, die der Rathauschef am Mittwochabend im Gemeinderat verlas. Sie wurde unterzeichnet von Detlev Emmerich, Eckhard Flik, Gisela Gröger, Marita Hagedorn, Philipp Jourdan, Ralph Möhrke, Matthias Schnitzhofer, Karl Helmut Schulzke und Klaus Tröndle.

Beim jüngsten Treffen am 11. September habe die Gruppe feststellen müssen, "dass auch auf unseren letzten Aufruf vor zwei Wochen sich keine weiteren Mitstreiter gemeldet hatten. Deshalb wurde einstimmig bei einer Enthaltung beschlossen, das Projekt Nahwärme wegen einer zu geringen Bereitschaft aus der Bevölkerung für eine Mitarbeit aufzugeben", schreiben die Unterzeichner weiter.

Der Beschluss sei allen sehr schwer gefallen. Er werde außerordentlich bedauert, "weil damit eine konkrete Chance für eine wirtschaftliche und umweltfreundliche Energieversorgung in Neuhengstett für absehbare Zeit verloren gegangen ist". Mit Tränen in den Augen habe er erkennen müssen, dass es nicht mehr weitergeht, sagte Matthias Schnitzhofer, der am Mittwochabend zu Wort kam. Leider seien immer weniger Menschen bereit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das habe jetzt auch die Bürgergruppe zu spüren bekommen. "Für die Gründung der Bürgergenossenschaft hätten wir neun Leute gebraucht, sechs hatten wir zusammen", so Schnitzhofer. Ein Beteiligungsgrad künftiger Netznutzer von 50 Prozent, der für die Wirtschaftlichkeit einer solchen Anlage Voraussetzung sei, "war locker drin".

"Das finde ich ausgesprochen bedauerlich", kommentierte der Bürgermeister den Schritt der Bürgergruppe. Dass 100 000 Euro in Expertisen für das Projekt gesteckt worden seien, bedauere er nicht im geringsten. "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", so Götz. Allerdings müsse, wer etwas wagt auch damit rechnen, dass es schief gehen kann. Bei einem Investitionsvolumen von rund sechs Millionen Euro und einem jährlichem Umsatzvolumen von mehreren hunderttausend Euro gehöre wohl abgewogen, ob man weitermache oder nicht.

Seit dem 1. Januar 2008 gilt in Baden-Württemberg das Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Es schreibt eine Nutzungspflicht von 20 Prozent zugunsten erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung neuer Wohngebäude vor. Beim Wohnungsbestand beträgt der Anteil zehn Prozent. Dieser muss in Altbauten bei Erneuerung der Heizungsanlage zumindest eingehalten werden. Eine Möglichkeit, dem Gesetz Genüge zu tun, besteht im Anschluss an ein Nahwärmenetz.

Kommentar: Aller Ehren wert

Marion Selent-Witowski

Die Neuhengstetter hatten es selbst in der Hand, Bioenergie vor Ort zu erzeugen. Vor allem dem Ortschaftsrat war das Projekt ein Herzensanliegen. In den vergangenen Jahren waren sich dessen Mitglieder nicht zu schade, unermüdlich für das Vorhaben zu werben und dafür von Haus zu Haus zu gehen. Es gab unzählige Sitzungen und Gespräche, kostspielige Expertisen wurden in Auftrag gegeben.

Jetzt zog die Bürgergruppe Nahwärme die Reißleine, weil sie nicht genügend Mitstreiter für die zu gründende Bürgergenossenschaft finden konnte. Damit ist die Arbeit von rund drei Jahren dahin. Der unbändige Elan für das Projekt ist ruckzuck verpufft. Eine Vorzeigegemeinde in Sachen Bioenergie wird Althengstett also erst mal nicht. Das Engagement der Bürgergruppe ist aber aller Ehren wert, auch wenn sie trotz großem Wagnis nicht gewonnen, sondern verloren hat.