Während "Gauner" Felix (links) sein Opfer eloquent ablenkt und beschäftigt und dabei deren Hilfsbreitschaft konsequent ausnutzt, kann "Ganove" Allan unbemerkt – aber vor aller Augen des Publikums – Handtasche und Handy der Dame aus dem Publikum stibitzen. Spätestens dies Szene zeigte allen im Saal: Vor solch dreisten Betrug ist wirklich niemand gefeit. Fotos: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Kriminalprävention: Seniorenrat gelingt eindrucksvolle Premiere / Tipps gegen Enkel-Trick und Co.

Es braucht wahrlich keiner zu denken, er sei gegen die Tricks der Gauner dieser Welt gefeit. Wie raffiniert diese sind, zeigte eine Aufklärungsveranstaltung des Seniorenrats Althengstett am Sonntag in der Festhalle.

Althengstett. "Hallo Oma, ich brauch Geld!" war das Mitmach-Theater des Duos Allan Mathiasch und Felix Beck aus Ludwigsburg überschrieben – und spielte damit auf die erste sowie wohl berühmteste Masche der modernen Betrüger an diesem Nachmittag an: der Enkel-Trick. Den kannten offensichtlich bereits alle in der mit knapp 200 Zuschauern voll besetzten Festhalle.

Ganove müht sich vergeblich ab

Entsprechend vergeblich mühte sich "Ganove" Mathiasch am Theater-Telefon ab, sein aus dem Publikum auf die Bühne geholtes Opfer Brigitte, das angeblich vom falschen Enkel dringend benötigte Geld für eine Mietsicherheit zu entlocken. Tapfer und konzentriert widerstand die Frau jeder eloquenten Spitzfindigkeit des vermeintlichen Enkels und wies ihn schließlich souverän in seine Schranken. Allerdings: Das hier war ja eine quasi künstliche Situation, von der jeder wusste, was ihn oder sie gleich erwarten würde.

Doch schon das war ein wohlüberlegtes Kalkül der beiden Theaterakteure, die erst jüngst den "European Crime Prevention Award", einen Präventionspreis der Europäischen Union, mit diesem Stück erringen konnten. Denn wie falsch dieses trügerische Gefühl der Souveränität gegenüber den mit allen Wassern gewaschenen Gaunern dieser Welt sein kann, bewies das zweite Beispiel auf offener Bühne.

Dieses Mal ging es um einen angeblichen Besucher des Nachbarn, der an der eigenen Haustür klingelt, um eine Nachricht für eben diesen Nachbarn zu hinterlassen. Während Felix Beck als gehandicapter Fragesteller sein Opfer mit allerlei Gespür beschäftigt und ablenkt, kann "Komplize" Mathiasch vor aller Augen in diesem Saal die Dame aus dem Publikum um Handtasche und Handy berauben – ohne dass diese auch nur das geringste merkt. Erschütterung nicht nur beim Opfer, als sie über das, was eben gerade mit und um sie herum passiert ist, aufgeklärt wird. Auch beim übrigen Publikum sitzt der heilsame Schock der Erkenntnis tief. Das hätte mich genauso treffen können!

Wie Zauberer im Varieté arbeiten moderne Ganoven mit der Systematik unserer Aufmerksamkeit – es muss sich keiner schämen, der auf sie hereinfällt. Doch wer sich präventiv schützen will, muss sein Misstrauen schon auf Gefechtsstation bringen, lange bevor sich einem Fremde mit gleich welchem Anliegen nähern. Lieber ein bisschen mehr Vorsicht, ein bisschen mehr nützliche Unfreundlichkeit und Bestimmtheit, als hinterher erst durch Schaden klug zu werden.

Problem mit Betrügern wird immer größer

Wie groß das Problem mit den Trickbetrügern mittlerweile ist, zeigt sich auch hier in der Festhalle Althengstett: Eine Dame berichtet, dass man gerade erst dieser Tage den Enkel-Trick bei ihr versucht habe. Und Tischnachbarin Johanna erzählt, dass bei ihr schon mehrfach jemand Dubioses im Hausflur stand, um sich mit einen Vorwand Einlass in ihre Wohnung zu verschaffen. "Einmal hieß es, sie seien von der Telekom – dabei bin ich bei KabelBW. Da waren die ganz schnell weg." Glück gehabt. Doch nicht immer geht es so glimpflich ab.

Weil, wie die Theater-Pädagogen Mathiasch und Beck im Informationsteil ihrer Aufführung berichten, die Gauner-Trupps mittlerweile mit regelrechten Callcentern ihre Telefonlisten systematisch abarbeiten. Wer vom Vornamen her ("Gottfried und Brunhilde – herrlich altmodisch!") oder seinem Wohngebiet ("Hirschgasse" – so heißen Seniorenquartiere) ins Profil passt, gerät immer ins Visier der Trickbetrüger.

Auch wenn der vom Seniorenrat ebenfalls eingeladene Hauptkommissar Ralph Geigle, Leiter der Polizeipostens Althengstett, zumindest für die hiesige Region eine gewisse Entwarnung geben kann: kein Anlass für Panik, "das Problem gibt es zwar auch bei uns", aber im überschaubaren Rahmen. "Der Kreis Calw ist nach wie vor einer der sichersten Landkreise überhaupt", sagte der Polizeibeamte.

Damit der Kreis Calw das aber auch bleibt, dafür machte diese Aktion des Seniorenrats Althengstett sicher richtig Sinn. Es war die erste "in diesem großen Rahmen", wie Vereinsvorsitzender Ernst Hempel erläuterte. Eigentlich ein Experiment, doch beim Blick in den Saal musste er bekennen: "Ich bin platt!" Er hätte nie gedacht, dass so viele Leute zu diesem informativen Theaternachmittag kommen würden. So etwas nennt man dann wohl einen richtig guten Riecher für das, was Senioren wirklich interessiert.