Warten auf die S-Bahn: Während dieser Pendler in Stuttgart nur stehen bleiben muss, bis er einsteigen kann, ist der Ausbau der S6, von dem der Landkreis stark profitieren würde, noch lange nicht in trockenen Tüchern. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Standardisierte Bewertung für Schienenprojekt Calw-Weil der Stadt soll im März vorliegen / Zeit wird knapp

Von Marion Selent-Witowski

Althengstett. Die Althengstetter Gemeinderäte und auch zahlreiche Einwohner der Gäugemeinde waren in letzter Zeit mehr als skeptisch, was die Realisierung des Schienenprojekts Calw-Weil der Stadt angeht. Wie der Stand der Dinge ist, erfuhren sie am Dienstagabend im Rathaus.

Das Ratsgremium hatte neulich während der Haushaltsberatungen die nächste Planungsrate für das Vorhaben in Höhe von 27 000 Euro mit einem Sperrvermerk versehen und angekündigt, diesen erst wieder aufheben zu wollen, wenn das Calwer Landratsamt während einer Informationsveranstaltung aktuelle Daten und Fakten zum derzeit wichtigsten Infrastrukturvorhaben im Landkreis vorlegt.

Knackpunkt ist eine umfangreiche Datenerhebung. Für die Beantragung der Zuschüsse bei Bund und Land muss nämlich in einer so genannten standardisierten Bewertung der Kosten-Nutzen-Faktor der S-Bahnlinie ermittelt werden, mit dem die Investitionskosten dem Nutzen gegenübergestellt werden. Das Einsparpotenzial beim Kohlendioxidausstoß und die Gewinnung von Fahrgästen spielen dabei unter anderem eine Rolle.

Eine erste Bewertung fiel ernüchternd aus, denn sie besagt, dass der Ausbau der S6-Linie unwirtschaftlich und eine Bezuschussung damit ausgeschlossen ist. Im Calwer Landratsamt wurden diese Zahlen bezweifelt. Hauptelement der Kosten-Nutzen-Aufstellung sind die zu erwartenden Fahrgäste, die aus der Zahl der Verkehrsteilnehmer ermittelt werden. Als Grundlage dienten die Zahlen der Landesverkehrszählungen aus dem Jahr 2009. Diese unterschieden sich erheblich von denen 2002. Damals wurden auf der B 295 erheblich mehr Fahrzeuge als 2009 registriert. "Vor zwei Jahren waren wir mitten in der Wirtschaftskrise und viele große Firmen haben Kurzarbeit angemeldet, weshalb weniger Personen auf dieser Strecke unterwegs waren", sagte Michael Stierle, der als Abteilungsleiter für den ÖPNV sowie das S-Bahn-Projekt federführend mit Kreiskämmerer Albrecht Reusch nach Kräften vorantreiben soll. Beide gingen am Dienstagabend in Althengstett auf die weiteren Schritte ein, die dem Vorhaben zu einem Erfolg verhelfen sollen.

"Wir haben die Datenbasis auf Null gesetzt und erheben neue Zahlen", sagte Stierle und fügte hinzu: "Deswegen ist es sehr ruhig um das Thema S-Bahn-Anbindung geworden". Erst seit kurzem liege die Auswertung der Zählungen im öffentlichen Verkehr und samt Straßenverkehrsmodell vor – eine Prognose bis ins Jahr 2020, die auch für den Straßenausbau aussagekräftig sei. Ende Januar werde man den neuen Nutzen-Kosten-Faktor bekommen. Die endgültige standardisierte Bewertung kündigten Stierle und Reusch für März an.

Nach dem Erreichen des vorgegebenen Faktors zur Förderfähigkeit soll ein Grundsatzbeschluss im Kreistag gefällt, der Zuschussantrag gestellt und das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Außerdem soll ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen gegründet werden, das Betrieb, Bau und Unterhaltung der Schienenwege zum Gegenstand hat. Anschließend sollen die Gemeinderäte der Anliegerkommunen Calw, Althengstett, Ostelsheim, Weil der Stadt und Renningen ihren Grundsatzbeschluss fällen. Danach sind laut Stierle und Reusch Bürgerinformationsveranstaltungen sowie eine Wanderausstellung in den Anliegergemeinden geplant.

Die Zeit drängt, denn das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz läuft 2019 aus. Bis dahin müssen sämtliche Projekte abgerechnet sein. Um den S 6-Ausbau realisieren zu können, muss er unbedingt 2012 auf den Weg gebracht werden, wie Reusch und Stierle betonten. "Es ist höchste Eisenbahn", wie am Dienstag mehrfach betont wurde.