Uta Maria Gohlke liest nicht nur Gedichte, sie schreibt auch selbst welche. Dabei kann sie ihren Gedanken, Gefühlen und Stimmungen freien Lauf lassen. Foto: Köncke Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Bibliothek deutschsprachigen Gedichte druckt den Sechszeiler der Altensteigerin in einem Sammelband ab

Von Manfred Köncke Altensteig. Mit 62 Jahren gelangweilt herumsitzen, möglichst schon am frühen Abend den Fernseher einschalten und sich stundenlang berieseln lassen? Das kommt für Uta Maria Gohlke aus Altensteig nicht infrage. Das Gegenteil ist der Fall, sie fühlt sich heute noch so aktiv wie in ihrer Jugend und ist neugierig auf das, was in der Welt passiert

Nach dem Abitur in ihrer thüringischen Heimat hat sie einen Beruf erlernt, fünf Kinder groß gezogen, mit 47 Jahren ein Vollzeitstudium an der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Esslingen angefangen und mit großem Erfolg abgeschlossen. Seit 2002 arbeitet sie an verantwortlicher Stelle beim Landratsamt Freudenstadt, ist seit 2011 zusätzlich am Oberlinhaus in Freudenstadt in der Erwachsenenbildung tätig – und schreibt in ihrer Freizeit Gedichte.

Das Licht der Welt hat Uta Maria Gohlke 1951 in der Musik- und Buchstadt Leipzig erblickt. Nach der Reifeprüfung lernte sie den Beruf der Schriftsetzerin und bildete gehörlose Menschen aus. Seit dem 1. Dezember 2002 wohnt sie mit ihrer Familie in der Altensteiger Oberstadt. Während der Mann zur Arbeit ging, zog seine Ehefrau fünf Kinder groß, die alle das Gymnasium besuchten und später unbedingt studierten wollten.

Eine der drei Töchter ist inzwischen Ärztin, die beiden anderen Lehrerinnen, ein Sohn Religions- und Sozialpädagoge, der andere arbeitet als Informatiker.

Weil die Studien der Kinder den Eltern hohe finanzielle Aufwendungen verursachten, wollte Uta Gohlke wieder ins Arbeitsleben einsteigen. Weil es den Beruf des Schriftsetzers in der klassischen Form nicht mehr gab und sie sich schon immer für soziale Themen interessierte, aber dafür die nötigen Zeugnisse fehlten, entschloss sie sich mit 47 Jahren, ein Studium an der Fachhochschule in Esslingen zu beginnen. Zu den Vorlesungen fuhr sie vier Jahre lang von Altensteig mit dem Bus und der Bahn.

"Vielleicht liegenmeine besten Jahrenoch vor mir"

Getreu ihrem Grundsatz "mit Disziplin und Willenskraft lässt sich manches erreichen" schloss sie beide Studiengänge mit großem Erfolg ab und bewarb sich an zwei Stellen. Während die Stadt Böblingen die Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin auf die Warteliste setzte, erhielt sie vom Landratsamt Freudenstadt aufgrund des hervorragenden Examens und nach der persönlichen Vorstellung sofort eine Zusage und eine Festanstellung: "Vielleicht hat eine Rolle gespielt dass ich den Beweis erbracht habe, dass man auch im fortgeschrittenen Alter mit dem nötigen Durchhaltevermögen etwas erreichen kann."

Die ersten sechs Jahre arbeitete sie beim Sozialamt in der Jugendhilfe, seither in der Abteilung Betreuung und Öffentlichkeitsarbeit. Seit drei Jahren unterrichtet Uta Maria Gohlke zusätzlich im Oberlinhaus Freudenstadt Erzieherinnen, die für die Betreuung von unter dreijährigen Kindern eine Zusatzausbildung benötigen. In ihrem beruflichen Alltag wurde sie nach eigener Aussage mit viel menschlichem Leid konfrontiert, und auch im familiären Umfeld lief gesundheitlich nicht alles glatt. 2007 fing sie an, Gedichte über schicksalhafte Begegnungen, die Schönheit der Natur, das Innehalten in der Betriebsamkeit und die Freude am Leben zu schreiben, dabei ihren Gedanken, Gefühlen und Stimmungen freien Lauf zu lassen und "mit Worten zu spielen". Seit 2007 stehen die Ergebnisse beim Joker-Verlag in der Datenbank.

Ihr jüngstes Gedicht, ein Sechszeiler mit der Überschrift "Erwachen" – "Berge, Sonne / sanftes Licht / in der Ferne / Donnergrollen / vor den Füßen / Schneeglöckchen" – schickte sie auf Anraten einer Tochter an die Bibliothek deutschsprachiger Gedichte. Sie hatte die Einsendung längst vergessen, als plötzlich ein Brief ins Haus geflattert kam – mit der Mitteilung, dass ihr Gedicht einen Preis gewonnen habe und es in einem Buch abgedruckt wird. "Vielleicht liegen meine besten Jahre noch vor mir", kann sich die 62-Jährige ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Das Buch: "Bibliothek deutschsprachiger Gedichte – Ausgewählte Werke XVI", Halbleinenband mit Goldprägung, 992 Seiten, 66 Euro (Hörbuch inklusive).