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Einem landesweiten Konzept folgend entstehen im Staatswald gezielt Flächen mit Tot- und Altholz

Eigentlich ist der Wald ein Ökosystem. Aber er ist auch Wirtschaftsfaktor. Beides gehört seit Jahrzehnten auch im Kreis Calw zusammen. Doch wirklich geregelt war das Zusammenspiel von Wirtschaft und Ökologie bisher nicht. Ein neues Konzept soll das jetzt ändern.

Kreis Calw. Der Wald ist nicht nur ein besonders prägender, sondern auch ein besonders wertvoller und geschützter Teil des Landkreises Calw. Mit 730 Hektar hat der Kreis die größte Fläche an Bannwäldern im gesamten Regierungsbezirk Karlsruhe. In Bannwäldern ist jegliche Nutzung per Rechtsverordnung verboten. Aber auch sonst sind viele Teile des Waldes im Kreis in irgendeiner Form geschützt. "25 Prozent des Kreis-Waldes gehören zu irgendeiner Art von Schutzgebiet", erzählt Karl-Heinz Stierle, Leiter der Abteilung Forst und Jagd im Landratsamt.

Was auf den ersten Blick wie eine einheitliche Strategie klingt, war jedoch in den vergangenen Jahren eher ein ziemlicher Flickenteppich an Maßnahmen, die Ökonomie und Ökologie im Wald zusammenbringen sollten. Dieser Flickenteppich ist nun Geschichte. Dank der vom Landesbetrieb ForstBW vorgelegten Gesamtkonzeption, die überall gültige Ziele formuliert hat. Da gehört etwa dazu, dass man nicht nur dichte und dunkle Wälder hat, sondern auch solche, in denen auch lichtliebende Pflanzen und Bäume gedeihen können und sollen. Ein weiteres Ziel ist, zehn Prozent der Waldfläche im Staatswald komplett aus der wirtschaftlichen Nutzung herauszunehmen.

Lebensraum für schützenswerte Tiere

An einem Teil dieses Gesamtkonzepts arbeiten derzeit die Experten auch im Kreis Calw, wie etwa Johannes Fünfgeld, Leiter des Forstbezirks Nagold, und Thomas Merklinger, Revierleiter in Altensteig und Egenhausen. Dieser Teil nennt sich "Alt- und Totholz-Konzept". Der hat zum Ziel, genau diese Holzarten im Wald gezielt zu erhalten, beziehungsweise zu schaffen, weil diese als Lebensraum für etliche schützenswerte Tierarten wie Spechte, Fledermäuse oder Käfer dienen. In einem wirtschaftlich genützten Wald würde dieses Holz überhaupt nicht entstehen, weil die Bäume vor der Alt- oder Totholzphase aus dem Wald entfernt werden. "Ein Mittel dazu ist die Ausweisung von so genannten Waldrefugien", erklärt Johannes Fünfgeld. Kleine Waldflächen im Staatswald ab einem Hektar Größe, die sich künftig selbst überlassen werden, und auf denen kein Holz gemacht werden darf. Über den Kreis verteilt sollen 500 Hektar zu solchen Refugien werden, erklärt Stierle.

Darüber hinaus soll es noch viel kleinere Schutzflächen geben: so genannte Habitatbaumgruppen. Gruppen von etwa 15 vornehmlich älteren Bäumen auf einer Fläche von einem Hektar, die auch für einen Verkauf nicht mehr interessant sind und die der Alterung und dem Verfall überlassen werden.

Habitatbäume werden mit GPS erfasst

Welche Bäume das sein können, das festzulegen ist Aufgabe von Revierförstern wie Thomas Merklinger, der an diesem Tag in der Nähe von Egenhausen unter anderem eine betagte Buche mit dem "H" für Habitatbaum auszeichnet und auch einige Bäume in der Umgebung. Die alle werden nicht nur mit Farbe gekennzeichnet, sondern auch per GPS erfasst und kartografiert – "wenn das GPS funktionieren würde", wie Merklinger an diesem Morgen leicht angesäuert ergänzt.

Ein Punkt, der in diesem Zusammenhang für den Förster eine ziemlich erhebliche Rolle spielt, ist die Sicherheit. Denn die geschützten und dann verfallenden Bäume dürfen nie Fußgänger oder auch Autofahrer auf Straßen gefährden.

Derzeit sind im Kreis Calw rund 1000 solcher Habitatgruppen erfasst. "Das Ziel liegt bei gut 3200 Gruppen", wie Karl-Heinz Stierle vom Calwer Landratsamt erklärt. Vor den Revierleitern liegt also noch jede Menge Arbeit, um das Konzept komplett umzusetzen.