Als Griechenland-Beauftragter der Regierung fällt es Hans-Joachim Fuchtel schwer mit der neuen Situation bei den Hellenen klarzukommen

Von Axel H. Kunert

Bonn/Nordschwarzwald. Eigentlich möchte Hans-Joachim Fuchtel, als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) der Griechenland-Beauftragte der Bundesregierung, sich derzeit nicht zu seinem Lieblingsthema Griechenland äußern. Doch am Rande eines Besuchs einer Fasnet-Delegation aus dem Nordschwarzwald in seinem Ministerium in Bonn lässt er sich dann doch zu einem Interview überreden.

Gewöhnlich ist Hans-Joachim Fuchtel ein Berufspolitiker der eher rustikalen Art. Ein Anpacker. Ein Macher. Jemand, der Menschen mitreißen und begeistern kann. Nachher im Kreise der extra für ihn angereisten Narren aus seinem Heimat-Wahlkreis wird er wieder der gewohnte Polit-Entertainer sein, der Menschen aus unterschiedlichen Kulturräumen – hier der schwäbisch-allemannischen Fasnet und des rheinischen Karnevals – erfolgreich zusammenbringen kann.

Der weiß, wie man Menschen mit unterschiedlicher Herkunft füreinander begeistert. Wie man über trennende Kulturgrenzen hinweg stabile Bindungen knüpft, die allen Seiten Vorteile bringen. Gemeinsamer Spaß bei Fasnet und Karneval. Konkreter Wissens- und Know-how-Transfer, wenn es zum Beispiel um die Deutsch-Griechische Versammlung geht.

Seit Tsipras Wahlsieg ist "sehr viel Porzellan zerschlagen worden"

Wenn also dieser sonst so rustikale Anpacker auf einmal in einem Interview extrem wortkarg wird, jedes Wort in Gedanken auf die Goldwaage legt, bevor er es ausspricht. Wenn er, anstatt über das eigentliche Thema dieses Pressegesprächs, auf einmal und unvermittelt am Vortag seines 63. Geburtstags über seine Geburt spricht; über den schweren Motorradunfall seiner mit ihm schwangeren Mutter; über das große Trauma, das dieses heftige pränatale Erleben auch für ihn bedeuten sollte. Dass er deshalb bis zu seinem vierten Lebensjahr nicht ein Wort gesprochen habe, und danach ein Stotterer gewesen sei, der noch heute Schwierigkeiten bei manchen heiklen Worten habe. Dann ahnt man mit einem Mal, wie sehr die Situation zwischen Deutschland und Griechenland derzeit tatsächlich auf der Kippe stehen muss. Und es bei weitem nicht nur großes Theaterdonner ist, was derzeit die politische Großwetterlage bestimmt zwischen den beiden, für die europäische Zukunft entscheidenden Ländern. Es ist ein echter für Menschen guten Willens wie Fuchtel wohl extrem schmerzhafter Konflikt.

Es sei sehr viel Porzellan zerschlagen worden in den letzten Wochen seit der Wahl von Alexis Tsipras zum griechischen Ministerpräsidenten, ringt sich Griechenland-Beauftragter Fuchtel schließlich doch zu einem Statement durch. Er selbst habe Tsipras noch vor der Wahl bei einem Besuch von ihm in Berlin kennengelernt. Tsipras sei damals voll des Lobes für die Arbeit der Deutsch-Griechischen Versammlung gewesen. Doch das für Fuchtel ganz offensichtlich verstörende Resümee von Tsipras aus den Leistungen der erfolgreichen deutsch-griechischen Zusammenarbeit bis dahin: "Er bat um Verständnis dafür, dass er uns werde nicht unterstützen können. Er wolle eine Wahl gewinnen." Eine solche Verweigerung jedes konstruktiven Dialogs ist Fuchtel ganz offensichtlich noch nie in seinem Leben begegnet. "Man sollte sich immer wieder vor Augen halten, dass dieser Mann Rechtspopulisten in seine Regierung geholt hat", greift er Tsipras an.

Der Haudegen sieht auf einmal sehr müde aus

Hans-Joachim Fuchtel findet zurück zu seinem gewohnten Redefluss, wenn er über die weiterhin gut funktionierende Zusammenarbeit auf regionaler und kommunaler Ebene zwischen Griechenland und Deutschland berichtet. Gerade sei von seinem Ministerium eine griechische Delegation auf der Berliner Grünen Woche begleitet worden – "sehr erfolgreich". Gleiches werde auf der Reisemesse ITB passieren. Die Themen Pflege-Urlaub und Wander-Touristik stünden hier ganz weit oben auf der Tagesordnung.

Beruhigend alltägliche Themen in einer Zeit und einer bilateralen Beziehung, in der es sonst ganz offensichtlich einen echten Paradigmenwechsel gegeben zu haben scheint. Doch wie sehr kann eine kommunalpolitische Graswurzelbewegung, wie sie Fuchtel als Rezept für großpolitischen Extremismus offensichtlich einsetzen möchte, in den deutsch-griechischen Beziehungen noch heilsame Wirkung entfalten?

Er setzt auf leise aber effektive Politik

Fuchtel, dieser gestandene politische Haudegen, sieht auf einmal sehr müde aus. Es wirkt daher wie eine Beschwörung des drohenden, ganz großen Unheils, wenn er nun an die intensive und so fruchtbare Beziehung des Landkreises Calw zur griechischen Insel Kreta erinnert. Und auf sie für die Zukunft setzt. Auch Kanzlerin Angela Merkel habe in ihrem Heimat-Wahlkreis solch eine Partnerschaft zur Insel Korfu initiiert. Außerdem gebe es die Initiative der (Handwerks-)Kammern aus beiden Ländern, zum Beispiel im Bereich der Berufsschulen und der beruflichen Weiterbildung künftig intensiver zusammenzuarbeiten. Und die Deutsch-Griechische Versammlung habe über 100 Know-how-Partnerschaften initiiert, von denen beiden Seiten gut profitierten. Gerade sei eine Delegation vom Bodensee aus Griechenland zurück, um dort bei der Gewässer-Sanierung und dem Aufbau einer Obstbauwirtschaft zu helfen.

Und auch die "Helenic Silver Stars", wie sich eine große Gruppe extrem erfolgreicher Gastarbeiter nach ihrer Rückkehr aus Deutschland in die griechische Heimat nennt, unterstützten den konstruktiven Dialog beider Länder auf den (unteren) Sachebenen.

"Es sind derzeit genug laute Leute unterwegs", sagt ein offenbar gegen die Resignation ankämpfender Fuchtel. Er setze daher auf die leise, aber effektive Politik für die Menschen, um der Eskalation oben Stabilität unten entgegenzustellen. Für die große Politik bleibt Fuchtel nur eine Utopie: "Ich wünsche mir einen Prozess des Zusammenkommens in Sachfragen." Doch der Tonfall macht klar, für wie wenig realistisch Fuchtel selbst diesen Wunsch hält. Nachher, beim gemeinsamen Verlassen des Bundeskanzleramtes, wird der müde Haudegen Fuchtel erzählen, dass er gleich nach der Geburtstagsfeier morgen das erste Mal "seit sehr langer Zeit" wieder für ein paar Tage in Urlaub gehen wird. Richtiger Urlaub, mit Schwimmen und ein bisschen Sport. Nicht in Griechenland, nicht im Schwarzwald. Weil, das wäre kein Urlaub.