Gabriele Marinoni lotete die Klangfarben der Altensteiger Stadtkirchen-Orgel aus. Foto: Kosowska-Németh Foto: Schwarzwälder-Bote

Organist Gabriele Marinoni und Vokalensemble "Unisono" sorgen für herbstlich-melancholische Atempause

Von Maria Kosowska-Németh

Altensteig. Alle drei Monate schlägt in der Evangelischen Stadtkirche zu Altensteig die abendliche "Stunde der Kirchenmusik". Diese kompakten Konzerte erfreuen sich seit Jahrzehnten großer Beliebtheit, da ihre besinnliche Atmosphäre eine Möglichkeit bietet, sich der inneren Einkehr bei Musik- und Gotteswortklängen hinzugeben.

Für das jüngste "Orgelvesper", wie einst die musikalischen Ereignisse in der Altensteiger Stadtkirche genannt wurden, luden die Organisatoren Susanne und Eberhard Schuler-Meybier das Vokalensemble "Unisono" aus Konstanz und den aus Italien stammenden Organisten Gabriele Marinoni ein.

Gewöhnlich haben die Organisten vor ihrem Auftritt recht wenig Zeit, sich mit dem unbekannten Instrument vertraut zu machen und seinen klanglich-technischen Umfang zu testen. In ein paar Stunden entwarf der 27-jährige, musikalisch vielversprechende Marinoni eine kontrastreiche Vision der Registrierung und wählte für die Einleitung des spätbarocken Präludium e-Moll von Nicolaus Bruhns eine saftige, dynamisch betonte Farbmixtur. Die nachfolgenden imitativen Abschnitte bildeten hingegen ein subtil-transparentes Netzwerk der polyfonen Stimmen.

Während im Orgelchoral "Nun komm, der Heiden Heiland" von Johann Sebastian Bach etliche rhythmische Differenzen zwischen der Pedalstimme und Melodieführung im Manual nicht zu überhören waren, machte Marinoni dieses Manko im Bachschen Präludium und Fuge a-Moll mit einer silbrig glänzenden Klanglawine technisch und musikalisch mehr als zufriedenstellend wett.

Nach der Orgelfassung der frühbarocker Motette "Verbum caro factum est" von Heinrich Scheidemann führte der gemischte Chor "Unisono" deren Originalversion von Hans Leo Hassler und nachfolgend mehrere geistliche Werke der Komponisten aus dem europäischen Musikraum auf, unter anderen die von Ola Gjello, Urmas Sisask und John Tavener.

Das bis auf 16 Kehlen abgespeckte Vokalensemble (sonst zählt es 28 Mitglieder) trägt einen deutlichen qualitativen Stempel: Im Spektrum der Tongebung dominiert die Sorgfalt beim treffsicherem Ansingen, Halten der Tonhöhe und bei der dynamischen Vielfalt.

Diese Vorzüge lernte der Chorgründer und Dirigent Johannes Heieck einst in der Christophorus-Kantorei Altensteig kennen und schätzen, jetzt setzt er sie mit ehemaligen Uni-Kommilitonen um und fort.

Der erfolgreiche Gastauftritt in Altensteig bestätigte auch die künstlerische Richtigkeit der 2011 angepeilten Richtung: Die alte und zeitgenössische Musik (darunter avantgardistische oder eklektische Werke) jenseits der Zeitgrenzen zu vereinigen und in Einklang zu bringen.

Obwohl die Zuhörer wegen des guten Wetters und Bundesligaspielen nicht gerade scharenweise die Stadtkirche aufsuchten, applaudierten sie nach einem kurzen Besinnungsschweigen umso herzlicher dem Chor und dem Organisten. Mit seiner liturgischen Umrahmung (Pfarrerin Sabine Lüdtke) bildete das Konzert eine willkommene, herbstlich-melancholische Zäsur zwischen den Jahreszeiten.