Das Quintett Ana Mai stieß zunächst auf verhaltene Reaktionen, überzeugte sein Publikum im Lauf des Abends aber auf ganzer Front. Foto: Kosowska-Németh Foto: Schwarzwälder-Bote

Ana Mai eröffnet die Altensteiger Konzertreihe "Jazz im Bürgerhaus" / Geschmackvoll, subtil und expressiv

Von Maria Kosowska-Németh

Altensteig. Den diesjährigen vierteiligen Zyklus "Jazz im Bürgerhaus" eröffnete das Konzert des Kölner Quintetts Ana Mai. Dessen neuartige Musikauffassung vernahmen die Jazzliebhaber anfangs etwas verhalten, im Laufe des Abends aber überzeugte das junge Ensemble auf ganzer Front.

Die Band-Leaderin Anna Maria Schuller wurde bei den führenden niederländischen und deutschen Jazzmusikern ausgebildet, und sie prägt das musikalische Profil ihres Ensembles fast im Alleingang – sie dichtet, komponiert, arrangiert und singt. Als Inspirationsquelle der deutsch- und englischsprachigen, poetischen Texte eignen sich für Schuller sowohl eigene Umfeldwahrnehmung und persönliche Erlebnisse als auch subjektiv-philosophische Weltbetrachtung. Die Vertreterin des Indie-Jazz-Stils agiert konsequent souverän – sowohl kompositorisch als auch als Interpretin.

Ein Paradebeispiel dieser wesenseigenen Musik bildete die dreiteilige, an die Motive aus dem Jugendbuch "Momo" von Michel Ende angelehnte Tondichtung "Grey Men". Im chaotischen Wirrwarr der gestressten Rhythmen stolperte hektisch das gesungene "tic-tac" einer verstörten Uhr, die Weltordnung geriet vorübergehend außer Kontrolle, um im Angesicht des Zeit-Imperativs in die gewohnte Bahn zurückzukehren. Eine überlegte, ausdrucksstarke Impression.

Auch die Bearbeitung vom Volkslied "Ich habe die Nacht geträumet" wurde von neuartigen Effekten, Klagen der Geister, beunruhigender Pulsierung und ungeheureren Stimmungen gesättigt und somit in eine spirituelle Unwirklichkeit katapultiert. Schuller und ihre Mitstreiter Stefan Karl Schmid (Saxofon, Klarinette), Philipp Braemswig (Gitarre), Oliver Lutz (Kontrabass) und Oliver Rehmann (Schlagzeug) bauten in die instrumental-vokale Einheit unbändige virtuose Kontraste ein, wobei das Publikum an den ruhigen, unterschwelligen Emotionen zuerst mehr Gefallen fand als an experimentfreudigen Neugebilden.

Allmählich jedoch kristallisierte sich in der Fülle der verblüffenden Einfälle eine eindrucksvolle, stilistisch konsequente Einheitskontur von melodischer Anmut und menschlichem Tiefgang heraus. Das Bindeglied zwischen einzelnen Kompositionen bildete der klare, geradlinige, nicht selten mit Gesangsraffinessen ausgestattete Vokalpart, die instrumentalen Soli unterstrichen das solide kompositorische Handwerk.

Geschmackvoll, subtil und stets expressiv wirkte die quellfrische Stimme der Sängerin Schuller auch in den zum Teil improvisierten Vokalisen, einen großartigen Eindruck hinterließen ihre intimen Soli mit Gitarre oder mit Kontrabass. Bevor sie das Konzert mit einer lautstark geforderten Zugabe abschloss, bedankte sich "Ana-Mai"-Leaderin beim Publikum, ihren Musikern, Kulturamtsleiter Christoph Oldenkotte und den Altensteiger Nachwuchs-Tontechnikern Dominik Lämmle und Felix Mattersberger für den überaus gelungenen Abend.