Grünen-Kandidat Johannes Schwarz (ganz rechts) hatte einen schweren Stand gegen die übrigen Teilnehmer der Podiums-Diskussion im JMS-Zentrum (von links): Heinrich Kuhn (AfD), Herbert Müller (FDP), Thomas Blenke (CDU), Moderator Benjamin Finis und Daniel Steinrode (SPD), der noch als einziger entsprechend der aktuellen Regierungskoalition im Land Kollege Schwarz beisprang. Foto: Kunert

Wahlkampf: AfD-Kandidat überrschascht. Kandidaten aus dem Kreis Calw beantworten Fragen.

Altensteig - Es war eine eindrucksvolle Kulisse, die sich da im Altensteiger Zentrum des Jugend-, Missions- und Sozialwerks (JMS) versammelt hatte, um dem launigen Abend-Talk von JMS-Geschäftsführer Benjamin Finis mit den Landtagskandidaten von CDU, SPD, Grüne, FDP und AfD aus dem Kreis Calw zu folgen. Und es war ein extrem spannender Abend, bei dem die Zuhörer fast komplett vergaßen, den Kandidaten – was immer möglich gewesen wäre – eigene Fragen zu stellen.

So übernahm es über fast drei Stunden allein Moderator Benjamin Finis, den Bewerbern um ein Landtagsmandat auf den Zahn zu fühlen. Wobei es Finis schwer fiel, wie er auch selbst zugab, immer neutral zu bleiben. Vor allem Grünen-Kandidat Johannes Schwarz löcherte er mehr als die anderen mit seinen Fragen, um hier – im Stammland des Pietismus und auch noch im Haus einer christlichen Jugend-Mission – die vermeintlich ideologisch geprägten Positionen der amtierenden Landesregierung etwa im Bereich Bildung (Stichwort: Bildungsplan und Sexualunterricht) mehr als kritisch zu hinterfragen. Zitat Finis: "Ich habe das Gefühl, heute brauche ich mehr Mut zu sagen, ›Ich verzichte auf Sex vor der Ehe‹, als ›Ich toleriere Homesexualität‹." Wobei Finis naturgemäß die Kandidaten von CDU, FDP und AfD mit diesen Aussagen hinter sich bringen konnte.

Kuhn: Die Bürger haben wunderbar auf die Flüchtlinge reagiert

Johannes Schwarz nahm dieses "Vier-gegen-einen"-Spiel, das sich auch über die Themen Nationalpark, Bürgerbeteiligung, Gemeinschaftsschule und vor allem "überdachte Fahrradständer für Neubauprojekte" hinzog, weitgehend mit Humor. "Ich hab mich darauf eingestellt", gab er in Richtung Finis zurück. Dem Informationsgehalt und der Spannung tat diese Parteilichkeit des JMS-Geschäftsführers keinen Abbruch. Im Gegenteil, so kam "Pfeffer" in die Runde, zumal SPD-Kollege Daniel Steinrode ein ums andere Mal dem Grünen beisprang.

Und Jo Schwarz spielte den Ball schließlich sehr souverän zurück, als er die anwesenden christlich-konservativen Lager im Saal und auf dem Podium beim letztlich auch hier unvermeidlichen Thema Flüchtlinge ermahnte, sich doch ab und an an das Toleranz- und Liebesgebot eines Jesus Christus zu erinnern – gerade gegenüber hilfesuchenden Flüchtlingen oder Menschen mit "anderen" sexuellen Orientierungen.

Für erhebliche Diskussion auch innerhalb des JMS hatte im Vorfeld der Veranstaltung die Einladung von AfD-Kandidat Heinrich Kuhn gesorgt. Aber da die AfD laut aktuellen Umfragen eine nicht kleine Rolle im kommenden Landtag von Baden-Württemberg spielen dürfte, entschied man sich seitens des Veranstalters für diese Einladung. Und das Auditorium – wie auch das Podium – erlebten einen konstruktiven und vorbehaltlosen Austausch mit dem AfD-Mann, von dem etwa zum Thema Flüchtlinge sehr differenzierte Aussagen kamen: Die Bürger hätten hierzulande "sehr wunderbar" auf die ankommenden Flüchtlinge reagiert. Und er selbst hätte in der Lage der Flüchtlinge sicher genauso gehandelt wie diese – und sich auf den Weg dorthin gemacht, wo es den Menschen gut geht. Aber trotzdem halte er Merkels Wort von "Wir schaffen das!" für hoch problematisch, weil es die Gesellschaft überlaste. Und weil das Vorpreschen der Kanzlerin unabgestimmt erfolgt sei mit den europäischen Partnern, aber auch den übrigen politischen und gesellschaftlichen Kräften hierzulande.

CDU-Kollege Thomas Blenke rang diese Haltung Respekt ab, als er in Richtung Heinrich Kuhn sagte: "Ich glaube Ihnen diese Position." Aber er bezweifle auch, dass Kuhn damit für die AfD insgesamt spreche, die doch in der Öffentlichkeit für deutlich schrillere Positionen stehe.

Am Schluss gibt es sogar Lob für die Kanzlerin

Und FDP-Mann Herbert Müller übernahm es in seinem Schluss-Plädoyer der Veranstaltung, aus seiner Sicht rückwärtsgewandte und reaktionäre Positionen aus dem aktuellem AfD-Wahlprogramm zu zitieren. Wobei CDU-Landtagsabgeordneter Blenke und SPD-Kandidat Daniel Steinrode zum Thema Flüchtlinge daran erinnerten, dass die aktuelle Bundesregierung mittlerweile für das restriktivste Asylrecht überhaupt in diesem Land gesorgt hätten. Was Blenke unter Applaus der Zuhörer mit einem in diesen Tagen auch für einen CDU-Mann ungewöhnlich klaren Bekenntnis zur Bundeskanzlerin verband: Er sei froh darüber, dass Deutschland sich in Zeiten wie diesen auf die "kraftvolle Führung" der Kanzlerin verlassen könne.