Zum Vortrag von Oettinger fanden sich 200 Besucher im Foyer des Rathauses ein. Foto: Köncke

EU-Kommissar auf Stippvisite im Schwarzwald. Gut 200 Besucher sind bei Wahlkampfauftritt dabei.

Altensteig - Samstagabend 17.30 Uhr. Im Foyer des Altensteiger Rathauses warten 200 Besucher auf den ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und jetzigen EU-Kommissar für Haushalt und Personal in Brüssel, Günther Hermann Oettinger. Der frischgekürte CDU-Stadtverbandsvorsitzende Tobias Schmid übernimmt die Begrüßung. Wiederholt blickt er durch die Glasscheiben auf die Bundesstraße 28. Kein Auto mit dem 63-Jährigen in Sicht. Bürgermeister Gerhard Feeß steht auf, erklärt, dass Deutschland von Europa nicht nur wirtschaftlich profitiert und erinnert sich daran, wie eine Delegation von Kommunalpolitikern unter Führung von Landrat Helmut Riegger in Brüssel die Schaffenskraft von Oettinger zu spüren bekam. "Er hat um 22 Uhr noch einen fundierten Vortrag gehalten und anschließend mit uns 45 Minuten lang Tischkicker gespielt."

EU-Kommissar lässt auf sich warten

Es ist 18 Uhr und der EU-Kommissar lässt weiter auf sich warten. Musikschulleiter Tobias Steeb und Musiklehrer Johannes Spyrka überbrücken die Zeit mit schwungvollen Melodien. Dann schreitet Hans-Joachim Fuchtel zum Mikrofon. "Ich rede jetzt solange, bis mein Freund kommt", schmunzelt der 65-Jährige. Und liefert die Erklärung für die Verspätung von Oettinger: Auf der Autobahn bei Sindelfingen habe es einen schweren Verkehrsunfall gegeben. Also bleibt genügend Zeit, dass der parlamentarische Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium über seine Tätigkeit und viele beruflich bedingte Reisen berichtet: "In den vergangenen vier Jahren war meistens das Flugzeug mein Bett."

Dass ihn auch kommunalpolitische Themen interessieren, macht er an zwei Beispielen deutlich. Ihm liege am Herzen, "dass endlich die Funklöcher im Nordschwarzwald verschwinden". Als das Munitionsdepot in Simmersfeld aufgelöst worden sei und Arbeitsplätze auf dem Spiel standen, habe er den damaligen Altensteiger Bürgermeister Rommel gebeten, eine Liste mit 15 potenten Gewerbesteuerzahlern aus der Region aufzuschreiben, die vorhätten, sich auf dem militärischen Gelände niederzulassen – "auch wenn das damals längst nicht feststand". Und schon habe Brüssel 1,6 Millionen locker gemacht.

Politiker kommt mit Sohn Alexander

Inzwischen zeigt der Zeiger der Rathausuhr 18.30 Uhr, endlich fährt das Auto des Polit-Prominenten vor. Oettinger und sein Sohn Alexander steigen aus und werden im Foyer mit Beifall begrüßt. "Ich kenne Altensteig gut", sagt der studierte Jurist. Sein Bruder habe am Christophorus-Gymnasium das Abitur gemacht und im Internat gewohnt. "Wir haben ihn jedes Wochenende abgeholt". Außerdem habe er hier schon Tennis gespielt, im Rathaus einen Vortrag gehalten, "und meinen Duzfreund Hans-Joachim kenne ich seit 42 Jahren". Nach dem kurzen, persönlichen Einstieg hält Oettinger ein leidenschaftliches Plädoyer für "das Friedensprojekt Europa und seine Werteordnung". Die Zeiten nationaler Grenzen seien endgültig vorbei. Aufgrund der weltpolitischen Entwicklung sei Europa gut beraten, "sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen". Zum Schluss setzt sich der 63-Jährige im ersten Stock des Altensteiger Rathauses an den Flügel, unterhält die Zuhörer mit volkstümlichen Weisen. Dankend nimmt er ein Geschenk in Empfang, greift zum gefüllten Bierglas, bleibt noch ein paar Minuten und fährt in Richtung Stuttgart davon.