Immer mehr Pflegeheimbewohner sind auf Sozialhilfe angewiesen. Foto: dpa

Fürs Pflegeheim muss landesweit gut ein Viertel der Bewohner auf Geld vom Sozialamt zurückgreifen. Würde die Pflegeversicherung mehr bezahlen, könnte man Pflegebedürftige und Angehörige entlasten. Heimträger und Institutionen fordern daher höhere Leistungen aus den Kassen.

Stuttgart - Die Zahl der Pflegeheimbewohner in Baden-Württemberg, die auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sind, ist nach Angaben des Kommunalverbands für Jugend und Soziales (KVJS) um 32 Prozent gestiegen – von 21 000 Leistungsempfängern im Jahr 2001 auf 27 457 im Jahr 2011. In der Summe sind rund 28,6 Prozent bedürftig.

Pflege steckt in der Armutsfalle

Die Evangelische Heimstiftung hat am Dienstag noch beunruhigendere Zahlen vorgelegt. „Die Pflege steckt wieder in der Armutsfalle. Der Anteil der Sozialhilfeempfänger im Pflegeheim liegt wieder bei bis zu 40 Prozent, der Eigenanteil im Pflegeheim hat sich auf bis zu 2000 Euro pro Monat verdoppelt“, erläuterte Bernhard Schneider, der Geschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung (EHS).

91 Prozent der 286 Heimleiter von insgesamt 1400 Heimen in Baden-Württemberg halten es deshalb für erforderlich, die Beiträge der Pflegeversicherungsleistung zu erhöhen. Mit den momentanen Pflegesätzen hält nur die Hälfte von ihnen eine qualitätsvolle Pflege für machbar, fast 40 Prozent halten das für ausgeschlossen.

Am ersten Altenpflegebarometer, das von der EHS initiiert und am Dienstag vorgestellt wurde, haben sich auch die Einrichtungen des Diakonischen Werks, des Caritasverbands und des Deutschen Roten Kreuzes beteiligt. „Wir wollten ein Stimmungsbild“, sagt Schneider.

Die Marktforschungsfirma Cogitaris fragte auch nach der Einschätzung der politischen Entwicklung – und erntete eindeutige Ergebnisse. 91 Prozent der Heimleiter sind mit der Altenpflegepolitik von Bund und Land überwiegend nicht oder überhaupt nicht zufrieden. Die Kabinettsvorlage des neuen Wohn-, Pflege- und Teilhabegesetzes, das zurzeit im Land diskutiert wird, berücksichtige außer alternativen Lebensformen für pflegebedürftige Senioren keine der brennenden Probleme der Heimleiter.

Von der Politik vernachlässigt?

Auch ein neues Förderprogramm für die Heime ließe das Land vermissen, seit 2010 gebe es kaum noch Zuschüsse. Der Bund wiederum habe „seit 1989 den Personalschlüssel für Pflegeheime nicht mehr verbessert“, so Schneider; Investitionen in die Pflegequalität sowohl sachlich als auch personell „gehen voll zulasten der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen“.

Dies stehe im Widerspruch dazu, dass die Pflegeversicherung den Trägern der Sozialhilfe Einsparungen in Höhe der ausgezahlten monatlichen Pflegesätze bringe. Der KVJS habe diese auf 413 Millionen Euro im Jahr 2011 für Menschen in Pflegestufe II beziffert. Diese Gelder sollten eigentlich in das Altenhilfeförderprogramm des Landes Baden-Württemberg fließen – angekommen sind 2013 aber nur 3,2 Millionen Euro.„Die derzeitige Förderung von 3,2 Millionen Euro pro Jahr ist ein Witz“, so Schneider.

Erfreulicher sei die Altenhilfepolitik in Stadt- und Landkreisen. „Wo ein Bürgermeister das Thema zur Chefsache macht, entstehen oftmals innovative Quartiershäuser“, so Schneider. Dementsprechend positiv bewerten fast die Hälfte der befragten Heimleiter die Kommunalpolitik.

Einen Ausweg aus der Pflegemisere sehen Schneider, das Diakonische Werk, der Württembergische Evangelische Fachverband für Altenhilfe und der Landesseniorenrat darin, die Leistungen aus der Pflegeversicherung schrittweise bis 2020 zu verdoppeln und laufend zu dynamisieren. „Schon eine einprozentige Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge würde für eine Verdoppelung ausreichen“, so Schneiders Hochrechnung. Diese Forderung geht nun an Adressaten aus Politik, Kirche und Wohlfahrtspflege.

Ginge es nach ihren Wünschen, dann sollte ein Rechtsanspruch auf eine geeignete Pflegeinfrastruktur eingeführt werden. Welche Wirkung dieser hätte, sähe man am Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. In der Folge hätte jeder Pflegebedürftige einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz.