Tief hängen die Wolken über den windhöffigen Gebieten um Alpirsbach. Die Frage, wem Gründstücke an Hängen und Hochflächen um den Heilenberg gehören und wer folglich im Bereich Windkraft mitstimmen darf, zog einen erneuten Riss durch den Gemeinderat. Foto: Eberhardt

Befangen oder nicht? Marathondiskussion im Alpirsbacher Gemeinderat endet im Streit. Diskussion unter Ausschluss der Betroffenen.

Alpirsbach - Befangen oder nicht? Im Alpirsbacher Gemeinderat löste die Frage eine Marathondiskussion aus, die im Streit endete. Eigentlich hatten Klärung und Rechtssicherheit erzielt werden sollen. Doch davon schien man am Ende weit entfernt.

Der am 7. Juli gefasste Gemeinderatsbeschluss über Kriterienkatalog und Pachtvertragsmuster für die Ausschreibung städtischer Windenergie-Flächen war nach Prüfung durch die Rechtsaufsicht gekippt worden. Die Begründung: Befangenheit einiger Gemeinderatsmitglieder.

Konkret richteten sich die Zweifel gegen Gemeinderäte, die in den betroffenen Gebieten Heilenberg und Rosshardt Flächen besitzen: Hans-Dieter Rehm und Hans Frick (FWV/CDU). Außerdem gegen Carl Glauner (ZfA), der in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Alpirsbacher Klosterbräu – welche ihr Quellwasser aus Gebieten unterhalb des Heilenbergs bezieht – unmittelbare Vor- und Nachteile durch das Windkraft-Projekt erfahren könnte.

Mit einem Abrücken der betroffenen Räte auf die Zuschauerbank hätte der Beschluss – der in seinem wesentlichen Inhalt unverändert blieb – einfach neu gefasst werden können. Doch in Alpirsbach dreht sich die Abwärtsspirale aus Konfliktthemen, Vorwürfen und Misstrauen inzwischen so heftig, dass der Blick für Verhältnismäßigkeiten und kooperative Lösungen gründlich verschleiert scheint.

Ging es um Interessen? Um ein leidenschaftliches Verhältnis zum Recht eines Mandatsträgers auf Abstimmung? Oder schlicht ums Prinzip? Die Vorwürfe, die sich die Kontrahenten gegenseitig offen und unterschwellig machten, waren vielseitig. Thomas Römpp (SPD) und Joachim Hermann (ZfA) hatten nach eigener Befangenheitsbekundung freiwillig den Platz in den Zuschauerreihen eingenommen. Doch Hans-Dieter Rehm und Hans Frick sowie Carl Glauner widersprachen dem Befangenheitsvorwurf der Rechtsbehörde.

Die Folge: Der Gemeinderat musste über die individuelle Sachlage beraten und entscheiden – unter Ausschluss des jeweiligen Betroffenen. Der Appell, den Bürgermeister Reiner Ullrich zu Anfang an das Gremium gerichtet hatte, erhielt dabei rückwirkend fast etwas Flehentliches: "Es ist mir wichtig, dass wir heute Abend rechtssichere Beschlüsse fassen." Beschlüsse, die auch die Möglichkeiten eines Zweifels ausräumten.

Doch es waren einmal mehr formulierungstechnische Unklarheiten und ein unglückliches Vorgehen, die den großen Konflikt verursachten. Nachdem Hans-Dieter Rehm seine Stellungnahme verlesen hatte, laut der sein Grundstück außerhalb der Projektierungsflächen auf dem Heilenberg liege und er noch nie von einem Projektentwickler angesprochen worden sei, las Reiner Ullrich – in Rehms Abwesenheit – ein Schreiben der Rechtsaufsichtsbehörde vor. Diese sah durchaus die Gefahr konkreter Betroffenheit. Und erwähnte außerdem eine Kontaktaufnahme zwischen Rehm und der mit der Projektierung beauftragen Firma endura Kommunal.

Ob nur "Kontaktaufnahme" oder konkret "Verhandlung" – zwischen den beiden Begriffen sah nicht nur Gerold Wein (FWV/CDU) einen erheblichen Unterschied. Doch die formulierungstechnische Sauberkeit verwässerte im Laufe der Debatte zunehmend. Außerdem sorgte die Verlesung eines urteilenden Schriftstücks über Rehm, während dieser ausgeschlossen war, für Empörung unter seinen Kollegen. Vor allem, da ähnliche Bedenken der Rechtsaufsichtsbehörde über Carl Glauner verlesen wurden, während dieser anwesend war.

Dass Rehm vom Gremium schließlich mehrheitlich als unbefangen bestätigt wurde, machte für die Streitenden keinen Unterschied mehr. Aufgebracht richtete sich Rehm nach dem Votum gegen den Bürgermeister. "Erstunken und erlogen" seien die Behauptungen, zwischen ihm und den Projektierern habe es Verhandlungen gegeben. Dabei hatte Ullrich anfangs sehr bemüht gewirkt, keine weitere Angriffsfläche zu bieten. Wiederholt betonte er, die letzte Instanz in der Befangenheits-Entscheidung sei nicht die Verwaltung, sondern der Gemeinderat – auch im Falle Rehms. "Ich habe zwar rechtliche Bedenken, werde aber nicht wiedersprechen." Bei Hans Frick, der Grundstückseigner im Gebiet Rosshardt ist, wurde die Befangenheitsfrage vergleichsweise unkompliziert verhandelt – der Gemeinderat erachtete ihn als nicht befangen. Diesen Status beanspruchte auch Carl Glauner für sich. Er untermauerte ihn nicht nur mit Argumenten, sondern auch mit Folgerungen hinsichtlich der Motive des Rathauses.

Schließlich – so der Kern Glauners Analyse – habe der Impuls für die Intervention der Rechtsaufsichtsbehörde ja nur von der Verwaltung selbst kommen können. Eine Unterstellung, die Ullrich zurückwies.

Das Gremium war sich dennoch unschlüssig. Am Ende war Glauner der Einzige, der nach einer Pattentscheidung unfreiwillig auf der Zuhörerbank landete.

War nun Sicherheit für den noch anstehenden Neubeschluss geschaffen? Nach mehr als einer Stunde blieb mehr als nur ein Hauch des Zweifels in der erhitzten Saalatmosphäre zurück. Der Gemeinderat hatte sich per Kräftemessen gegen Verwaltung und Rechtsaufsichtsbehörde gestellt.

Zwar mehrheitlich, aber keinesfalls in uneingeschränktem Konsens. Sollten sich im späteren Verlauf Konflikte mit den Projektierern ergeben – so die Befürchtung von Bürgermeister Reiner Ullrich – hat sich die Stadt mit dieser offensichtlichen Zerrissenheit nachhaltig angreifbar gemacht.