Simone Rubino beeindruckte das Publikum mit Virtuosität und unbändiger Spielfreude. Foto: Wiegert Foto: Schwarzwälder-Bote

Schwarzwald Musikfestival: "Serenata italiana" mit kontrastreichem Programm

Von Claus Wiegert

Balsam für die Seele, aber auch mitreißende Rhythmik: Bei einer "Serenata italiana" in der Alpirsbacher Klosterkirche spannten das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim und der junge Star-Schlagzeuger Simone Rubino einen weiten Bogen.

Alpirsbach. Die "Italienische Nacht" war wohl eines der außergewöhnlichsten Konzerte beim Schwarzwald Musikfestival 2016 und hätte einen besseren Besuch verdient gehabt: Die Alpirsbacher Klosterkirche war bei dem Abend unter dem Motto "Kammermusik meets Percussion" nur etwa halb voll besetzt. Von konventionellem Wohlklang auf völlig unbekanntes musikalisches Neuland führte die Marschroute, und die Zuhörer gingen begeistert mit.

Die Reise begann mit Antonio Vivaldis berühmten "Vier Jahreszeiten". Den Frühling tönte das Kammerorchester unter der Leitung von Dirigent Mark Mast mit souveräner Leichtigkeit, fast schon graziös ab. Virtuos und ohne Scheu vor Schmelz meisterte der Geiger Michael Ewers seinen Solopart.

Beschwingt und freudig kam der Frühling daher, und dass der an sich sehr transparente Streicherklang im langen Nachhall, den die Akustik der Alpirsbacher Klosterkirche mit sich bringt, leicht ins Schwimmen geriet, gab dem Ganzen eine – wenn auch wohl ungewollte – ätherische Note. Zart tönte Ewers, Konzertmeister des Kammerorchesters, die ebenso filigranen wie eingängigen Melodielinien ab. Klanggenuss pur bot das Pforzheimer Ensemble auch mit dem Sommer. Ob bei weit ausholenden sanglichen Melodielinien oder eingebettet in den samtigen Orchesterklang: Die Solovioline hatte eine dominante Präsenz der durch und durch angenehmen Art – eindringlich, aber nie aufdringlich.

Unter Masts straffer Leitung kamen selbst abrupte Wechsel des Tempos noch organisch entwickelt daher. Der Dirigent zeigte aber auch Mut zur Langsamkeit, etwa im Herbst mit seinen entrückten Klangbildern. Ebenso beherzt ging das Orchester beim Winter zur Sache. Masts feinfühlige und souveräne Leitung sorgte dafür, dass die Fülle der Naturimpressionen, die Vivaldi in den "Vier Jahreszeiten" präsentiert, nicht in eine Aneinanderreihung vieler schöner Einzelteile zerfiel, sondern zu einem Kunstwerk aus einem Guss geformt wurde.

Nach der Pause ging’s vom Garten mit üppiger Klangpracht auf den Vulkan: Der italienische Schlagzeuger Simone Rubino ließ das Publikum mit Iannis Xenakis’ "Rebonds B" für Percussion solo aufhorchen. Im Detail nach einem komplizierten Denkschema gearbeitet, als Ganzes aber von elementar-mächtiger Ausdruckskraft, verfehlte das Werk seine Wirkung nicht: Das Publikum war fasziniert von dem höllischen Tempo und der Präzision, mit der Rubino die Schlegel auf dem Xylofon tanzen ließ. Im Wechsel zwischen dem einprägsamen rhythmischen Grundmuster und dem Chaos, in dem es immer wieder unterzugehen droht, verging die Zeit wie im Flug. Fast schon romantisch wirkte hingegen das folgende Konzert für Streicher von Nino Rota. Der italienische Komponist, der unter anderem die Filmmusik für "La dolce vita" und "Der Pate" geschrieben hat, machte unverhohlen Anleihen in der ganzen Musikgeschichte. In dem Konzert für Streicher pflegt er den Belcanto, lässt viele tänzerische Elemente einfließen, Melancholie und Ironie liegen dicht beieinander. Die Interpretation geriet anrührend, wenn auch das rhythmisch zum Teil durchaus interessante, harmonisch aber recht glatte Werk die enge Sphäre unaufgeregter Hintergrundmusik nie verlässt.

Als Schluss- und Höhepunkt gab’s die Uraufführung eines Auftragswerks: "Nani è giganti" des Turiner Komponisten Roberto Bocca. Es ist, wie Mark Mast sagt, Simone Rubino auf den Leib geschrieben, und der Schlagzeuger zeigte denn auch ausgiebig sein verblüffendes Können.

Eine märchenhafte Klangwelt tut sich auf, mit rasanten Akkordfolgen und melodischen Fragmenten auf dem Xylofon und dezentem Streicherklang. Im langsamen Mittelsatz kommen Soli für Flöte, Oboe und Horn dazu, Schlagzeuger und Orchester werfen sich motivisch die Bälle zu. Mächtige Gongschläge erzwingen Momente des Innehaltens, bevor die Musik wieder stark pulsierend vorwärtstreibt, jazzt, swingt, sich die Motive fugenartig jagen, mehrstimmig ineinander verweben. Ein Stil-Etikett passt da wahrlich nicht drauf, aber eindrucksvoll ist der fantastische Auftritt der "Zwerge und Giganten" allemal.

Es gab minutenlangen Beifall und als Zugabe ein Solo Rubinos an der kleinen Trommel. Was er mit Stöcken, Besen und der bloßen Hand aus dem Instrument herausholte, war ein kleiner rhythmischer Kosmos für sich.