In dieser Unterkunft in Alpirsbach hat sich die Messerstecherei zugetragen. Foto: Hering

Hauptverhandlung wegen Messerstecherei

Alpirsbach/Rottweil - Vor der Schwurgerichtskammer am Rottweiler Landgericht wurde am Freitag der Prozess gegen einen 27-jährigenen syrischen Asylbewerber eröffnet. Er wurde wegen versuchten Mords angeklagt.

Es war der 4. Februar, ein Samstagmorgen, als es gegen 10.20 Uhr zu einer Beziehungstat in der Asylbewerberunterkunft an der Freudenstädter Straße in Alpirsbach kam. Der angeklagte Syrer, der seit dem Tattag in Untersuchungshaft ist, soll laut Anklageschrift des Staatsanwalts versucht haben, den Lebensgefährten seiner Schwester durch zwei Messerstiche in den Oberkörpers verletzt haben – mit der Absicht, ihn zu töten.

Laut Staatsanwaltschaft Rottweil war der Angeklagte mit der Beziehung seiner noch verheirateten, jedoch getrennt lebenden Schwester zu dem Geschädigten – ebenfalls einem Syrer – nicht einverstanden. Er habe sich in der Verantwortung für seine Schwester gesehen, da der Rest der Familie nicht mit nach Deutschland geflüchtet war.

Am Tattag soll der Angeklagte wutentbrannt in die Unterkunft gestürmt sein und am Zimmer seiner Schwester geklopft haben. Deren Freund habe – lediglich mit Shorts bekleidet – die Tür geöffnet. Als er den Angeklagten mit erhobenem Arm und einem Messer in der Hand gesehen habe, habe er sich reflexartig umgedreht, sodass ihn die Stiche nicht in die Brust, wie vom Täter beabsichtigt, sondern in die Schulter trafen.

Staatsanwaltschaft spricht von versuchtem Mord

Der Verletzte sei zu Boden gegangen, und der jungen Frau sei es gelungen, das Messer an sich zu bringen. Dabei habe sie sich an der Hand verletzt. Als der Angeklagte gemerkt habe, dass sein Plan, den Mann zu töten, gescheitert war, habe er den am Boden liegenden bei einem Gerangel noch in die Lippe gebissen und ihm Kratzer am Oberschenkel zugefügt.

Dem Verletzten und seiner Freundin sei es gelungen, das Zimmer zu verlassen und die Tür zuzuhalten. Eine im Nebenzimmer wohnende Familie habe die Polizei verständigt. Die Anklage der Staatsanwaltshaft lautete auf versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.

Auf Nachfrage von Daniel Scholze, dem vorsitzenden Richter, ließ der Angeklagte durch seinen Anwalt verkünden, dass er nur zu seiner Person und zu seinen persönlichen Verhältnissen Angaben machen werde, nicht jedoch zu den Tatvorwürfen. Er erzählte seine Lebensgeschichte, vom Schulbesuch in Damaskus, von zwei Jahren beim Militär und dass er mit seinen Eltern, einem älteren Bruder und zwei jüngeren Schwestern 2013, als der Krieg ausbrach, in ein Palästinenserlager gezogen sei. Von dort aus sei er 2015 über die Türkei und Griechenland nach Deutschland geflüchtet. Seine gesamten Ersparnisse von rund 5000 Euro habe er in die Flucht investiert.

Seine damals schwangere Schwester sei mit ihrem Sohn nachgekommen. Die beiden hätten sich in Herzogsweiler in einer Asylunterkunft wieder getroffen. Dort hätten sie auch den Geschädigten kennengelernt, der ebenfalls dort wohnte.

Nach der Entbindung der Schwester sei diese mit ihren Kindern nach Alpirsbach gezogen, er habe in Pfalzgrafenweiler ein Zimmer bezogen, ließ der Angeklagte übersetzen. Bis zu seiner Verhaftung habe er ein zweimonatiges Praktikum als Dreher absolviert und an Sprachkursen teilgenommen. Sein Asylantrag sei anerkannt worden.

Als erster Zeuge sagte das Opfer aus. Der 39-Jährige berichtete von der Liebesbeziehung und sprach von einer "impulsiven Reaktion" des Angeklagten, als dieser ihn am Samstagmorgen mit seiner Schwester in deren Zimmer in Alpirsbach antraf, beteuerte aber gleichzeitig, dass die Reaktion für ihn nachvollziehbar sei.

Es sei falsch von ihm gewesen, nicht mit ihm über seine Beziehung zu dessen Schwester zu reden, aber er hätte sich einfach nicht getraut. "Ich habe ihm gleich nach der Tat verziehen und vergeben", beteuerte der Geschädigte. Er sei nach der Tat zwar einen Tag im Krankenhaus gelegen und danach noch zwei Wochen krankgeschrieben gewesen, alles sei aber wieder gut verheilt.

Richter Scholze frage nach: "Hatten Sie den Eindruck, dass der Angeklagte sie töten wollte?" "Ja, es hätte auch tödlich enden können", erwiderte der Geschädigte. Unter Arabern könne so etwas durchaus mal passieren – zudem sei es das gute Recht des Angeklagten gewesen, so zu reagieren, sagte der 39-Jährige weiter. Es sei eben "ein Moment des Zorns" gewesen.

Der Prozess wird am Dienstag, 1. August, fortgesetzt.