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Bei der Stadtentwicklung ist Mut zum Gegensteuern gefragt

Von Claus Wiegert

Wie kann die Kernstadt Alpirsbach für Einheimische und Besucher attraktiver gestaltet werden? Denkmalpfleger haben auf diese Frage viele Antworten. Sie in die Tat umzusetzen, ist ein schwieriges, aber nicht zuletzt für den Tourismus wichtiges Unterfangen.

Was bei der städtebaulichen Entwicklung Alpirsbachs zu verbessern wäre, hat Ulrich Boeyng vom Landesdenkmalamt im Jahr 2001 in einem Beitrag in dem Standardwerk "Alpirsbach – Zur Geschichte von Kloster und Stadt" aufgelistet. Fasst man die städtebauliche Entwicklung der vergangenen 150 Jahre unter dem Blickwinkel der Denkmalpflege zusammen, zeichnen sich nach Meinung des Autors einige wesentliche Veränderungen ab:

 zunehmende Überbauung privater Freiflächen und Gärten im Innenstadtbereich zunehmende Umwidmung privater Hof-, Garten- und Grünflächen in öffentliche Frei- und Verkehrsflächen   Aufweitung historischer Straßenräume und Straßenfluchten durch Abbruch alter Gebäude und Zurückverlegung der Baufluchten  Aufweitung historischer Platzabschlüsse und optischer Engstellen durch ersatzlose Abbrüche oder zurückverlegte Neubauten

 zunehmende Abwertung historischer Hauptachsen zu Nebenstraßen  zunehmende Verdohlung offen fließender Gewässer  ersatzloses Fällen des innerörtlichen alten Baumbestands ohne Ersatz durch kleinwüchsige Stadtbäume Positive Aspekte könnten wiedergewonnen werden, indem  die in der Innenstadt noch vorhandenen Freiflächen und Gärten nicht weiter überbaut werden  der Anteil der Verkehrsflächen für Fahrzeuge zurückgenommen wird  historische Baufluchten nicht zugunsten breiterer Straßenräume aufgeweitet, sondern an den Fehlstellen wieder geschlossen werden  die Marktstraße wieder in ihrer ursprünglichen Bedeutung als städtebauliche Hauptachse erlebbar gemacht wird  verdohlte Gewässer wieder freigelegt werden  die Raumwirkung größerer Bäume wieder gefördert wird

Alpirsbach. Für Besucher gibt es in Alpirsbach viel zu entdecken: "Auf der einen Seite ein reizvolles Städtchen in reizvoller Umgebung mit einer langen Vergangenheit, deren Spuren noch allgegenwärtig sind. Auf der anderen Seite aber auch städtebauliche Lieblosigkeiten, die bei manchem zunächst nur ein unbestimmtes atmosphärisches Unbehagen erzeugen." Dies hat Diplom-Ingenieur Ulrich Boeyng vom Landesdenkmalamt den Einwohnern bereits vor 15 Jahren ins Stammbuch geschrieben – in der Abhandlung "Alpirsbach – zur Geschichte von Kloster und Stadt", die das Landesdenkmalamt herausgegeben hat. Boeyng analysiert, was das "diffuse Unbehagen" im Hinblick auf das Stadtbild auslöst, und macht konkrete Verbesserungsvorschläge (siehe Info-Kasten). Wobei er betont, dass denkmalpflegerische und touristische Belange durchaus vereinbar sind.

Es sei der Denkmalpflege bewusst, so der Experte, dass die städtebauliche Entwicklung nicht zurückgenommen werden kann, dass die Eisenbahntrasse und die Bundesstraße die Trennung der Stadt noch lange Zeit bestimmen werden. Dennoch gebe es Möglichkeiten, den aufgeführten Tendenzen entgegenzutreten.

Viele der Anregungen blieben allerdings wohl Illusion, meint der Autor, wenn sich der Autoverkehr weiterhin durch die engen Gassen der Stadt quäle, wenn jeder freie Fleck als Parkplatz ver- und missbraucht werde. Ein attraktives Alpirsbach müsse "kein ›Drive-in-Städtchen‹ sein, in dem jeder Tourist bis vor das Klosterportal, jeder Käufer bis vor das Geschäft, jeder Einwohner bis vor die Haustür" fahren könne. Attraktivität bedeute gerade in einer Kleinstadt, die zu Fuß in zehn Minuten zu durchqueren ist, dass der Besucher nicht vom Auto aus dem Straßenraum verdrängt werde.

Die Stichworte der Zukunft heißen für Boeyng denn auch Verkehrsentflechtung und Verkehrsberuhigung: "Hauptziel der Verkehrsplanung müsste es sein, das Klosterquartier und die obere Marktstraße so weit wie möglich vom fahrenden und ruhenden Verkehr zu befreien." Der Marktplatz und seine Fortsetzung in der Marktstraße (großes Bild) im Kreuzungsbereich mit der Bundesstraße 294 wären dabei als Fußgängerachse zu betonen und entsprechend neu zu gestalten.

Sachzwänge und hausgemachte Probleme

Denkmalschutz spielt in der aktuellen Kommunalpolitik in Alpirsbach eine große Rolle, sagt Bürgermeister Reiner Ullrich im Gespräch mit unserer Zeitung. So bemühe sich die Stadt in Absprache mit Martin Wenz, Gebietsreferent Bau- und Kunstdenkmalpflege beim Landesdenkmalamt in Karlsruhe, derzeit um den Erhalt zweier historischer Gebäude im Stadtzentrum (Café Pfau und Spirituosen-Geschäft). Da die Häuser in Privatbesitz sind, könne die Stadt allerdings nur eine vermittelnde Rolle spielen.

Im Hinblick auf die Sanierung des Rathauses müsse die Stadt "früher oder später was tun". Zwar sei der Brandschutz verbessert worden, aber das Gebäude sei substanziell instandsetzungsbedürftig. Ullrich: "Seit den 40er-Jahren wurde das Rathaus nicht mehr saniert." Die Stadt könnte das Millionenprojekt allerdings nur mit einer Zuschussquote von rund 80 Prozent stemmen, betont Ullrich. Er hofft, dass die Sanierung des Rathauses in ein Förderprogramm des Bunds aufgenommen wird.

Der Verkehr ist das dickste Brett, das bei der Entwicklung der Kernstadt zu bohren ist. Dabei unterscheidet Ullrich zwischen Sachzwängen und hausgemachten Problemen. Die Bundesstraße 294 und die Bahnlinie trennen die Kernstadt in zwei Teile – darum komme man nicht herum. Eine Umgehung der Innenstadt sei vor vier, fünf Jahrzehnten wohl schon mal realistisch ins Auge gefasst, aber dann kommunalpolitisch nicht gewollt worden. Man befürchtete, vom Besucherstrom abgeschnitten zu werden. Ullrich sagt hingegen: "Ich kenne keine Stadt, die durch Verkehrsberuhigung gelitten hat." Die Vorstellung, die Bundesstraße künftig unter der Innenstadt durchzuführen, hält Ullrich für "Science-Fiction". Dafür gebe es zu wenig Verkehr. Kaum möglich sei es auch, den Verkehr aus der Innenstadt, vor allem vom Marktplatz, ganz wegzubekommen – schließlich werden die Wohngebiete Sulzberg und Burghalde darüber erschlossen.

"Das Problem ist, wie die Verkehrsführung früher angelegt wurde", meint Ullrich. Was er hinbekommen wolle und was er für machbar hält, ist, den Klosterplatz vom Verkehr freizuhalten und damit auch den Busverkehr von dort zu verbannen. Diese Ziel verfolge er schon lange, sagt Ullrich, aber es gebe Widerstand, etwa seitens der Alpirsbacher Brauwelt.

Zum dritten Mal im Förderprogramm

Mosaiksteinchen für die Stadtentwicklung entstehen auch im dritten Teil der Altstadtsanierung. Das Plangebiet liegt diesmal auf und unterhalb der Reutiner Steige. Das Land hat für "Altstadt III" vor gut zwei Jahren rund 870 000 Euro bewilligt. Davon muss die Stadt 40 Prozent aufbringen. Gefördert werden in dem Programm mit einer Laufzeit von acht Jahren private Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen.

In der Regel gibt es einen Zuschuss von zehn Prozent der förderfähigen Kosten, höchstens aber 15 000 Euro je Wohnung. Zuschüsse sind auch für den Abbruch von Gebäuden möglich, die als nicht mehr erhaltungswürdig eingestuft werden. Das Sanierungsgebiet umfasst eine Fläche von 24 Hektar mit 67 Grundstücken und 68 Gebäuden. Auch ein städtebauliches Kriterium findet sich in den Förderrichtlinien der Stadt: "Ortsbildgerechte Gestaltung" wird "grundsätzlich vorausgesetzt".