Gregorianische Gesänge erklingen in der letzten Augustwoche im Alpirsbacher Kloster. Foto: Wiegert Foto: Schwarzwälder-Bote

Dreiklang von Gebet, Gesang und theologischem Studium bei gregorianischer Woche im Alpirsbacher Kloster

Von Claus Wiegert

Alpirsbach. Im Namen der kirchlichen Stiftung ist die Klosterstadt fest verankert. Nur alle ein, zwei Jahre findet eine gregorianische Woche der Stiftung Kirchliche Arbeit Alpirsbach (KAA) dort statt. Ende August ist es nun wieder soweit.

Unter dem benediktinischen Motto "ora et labora" (bete und arbeite) kommen 15 Teilnehmer aus ganz Deutschland – von Freiburg bis Hannover, von Esslingen bis Berlin – zu einem "Kloster auf Zeit" nach Alpirsbach. Bei der Sommerwoche der KAA vom 25. bis 30. August im Bruderraum des Alpirsbacher Klosters wird in ökumenischer Offenheit gemeinschaftliches geistliches Leben gestaltet. Im Mittelpunkt stehen das Erlernen des gregorianischen Chorals, die Stundengebete und das theologische Studium.

Die gregorianischen Wochen richten sich nach dem Kirchenjahr. Die erste Sommerwoche der KAA in diesem Jahr fand Mitte Juli in Gernrode (Quedlinburg) statt. Die zweite in Alpirsbach steht unter dem Thema "Kirche und Politik in unserer Demokratie". Referent ist Oberkirchenrat i. R. Volker Faigle aus Berlin. Den musikalischen Teil leiten die Kantoren Annegret Ernst-Weissert aus Alpirsbach und Rudolf Rienau aus Blaubeuren.

Die gregorianischen Wochen sind nicht nur für Kenner, sondern auch für Laien gedacht – Freude am Gottesdienst, am Singen und Interesse an theologischen Fragen sind die Voraussetzungen, nicht aber unbedingt Chorpraxis, musikalische oder theologische Kenntnisse.

Mit den Neumen, den Notationszeichen des gregorianischen Gesangs, werden die Teilnehmer bei den Singübungen vertraut gemacht. Lauf und Ereignisse der Tage im Kloster teilen sich die Männer und Frauen. Unterschiede in Alter, Geschlecht, Beruf und Konfession sollen für die Woche geistlich und praktisch der gemeinsamen Nachfolge Christi untergeordnet werden. Eine feste Struktur bekommt die gregorianische Woche vor allem durch die Stundengebete – ab 7 Uhr Matutin, ab 9 Uhr Laudes, die Sext ab 12 Uhr, die Vesper ab 17.30 Uhr und das Tagesschlussgebet, die Complet, ab 20.30 Uhr. Diese Zeiten gelten ab Dienstag, 26. August. Am ersten Tag, dem kommenden Montag, ist nur die Complet ab 20.30 Uhr vorgesehen. Zu allen Gebetszeiten ist die Kirche geöffnet, Gäste sind willkommen, wie Annegret Ernst-Weissert versichert.

Die Kantorin ist bei der gregorianischen Woche in Alpirsbach die Ansprechpartnerin vor Ort. Da das Alpirsbacher Kloster nicht bewohnbar ist, werden die Teilnehmer in nahe gelegenen Hotels und Privatunterkünften untergebracht. Die Mahlzeiten gibt es im Seniorenzentrum der Bruderhausdiakonie.

Schluss- und Höhepunkt der gregorianischen Woche ist die Messe am Samstag, 30. August, ab 9.30 Uhr. Dabei werden die während der Woche eingeübten Gesänge vorgetragen. Die Singübungen für das Gebet in den Formen der Gregorianik sind das Standbein bei den gregorianischen Wochen, das Studium neben der Liturgie das Spielbein, wie die KAA mitteilt. Jeweils vormittags und nachmittags gibt es eine Vorlesung, nach der auch über das jeweilige Thema diskutiert wird.

Mit gregorianischem Gesang mit deutschen Texten befasste sich Annegret Ernst-Weissert schon in ihrem Studium der Kirchenmusik intensiv. Seit sie vor gut 20 Jahren mit ihrem Mann, Kantor Ullrich Weissert, nach Alpirsbach kam, setzt sie sich denn auch dafür ein, dass diese Form der Kirchenmusik in der Klosterstadt verstärkt gepflegt wird. Das ist auch ein besonderes Anliegen von Pfarrer Horst Schmelzle. So wird jeweils montags ab 19.30 Uhr in der Alpirsbacher Klosterkirche zur Complet eingeladen. Derzeit ist – bis auf die gregorianische Woche – allerdings Sommerpause. Das nächste Schlussgebet erklingt am Montag, 15. September.

(cw). Die Anfänge der Kirchlichen Arbeit Alpirsbach (KAA) liegen in der Singbewegung der 20er-Jahre. Seit 1933 treffen sich im Alpirsbacher Kloster regelmäßig evangelische Christen, um den Dienst der gemeinsamen Anbetung und Fürbitte in der evangelischen Kirche neu zu beleben. Die musikalische Formenwelt des gregorianischen Chorals sollte für die evangelische Liturgie wiedergewonnen werden.

Das von Richard Gölz (1887 bis 1975) und Friedrich Buchholz (1902 bis 1967) erarbeitete Alpirsbacher Antiphonale, ein Chorbuch mit liturgischen Gesängen, machte es möglich, lateinisch verfasste Psalmen und andere biblische Texte sowie Gebete und Hymnen nach originalen Melodien in deutscher Sprache zu singen. Die deutschen Texte, die Buchholz den Melodien des lateinischen Chorals unterlegte, sind die von Luthers Bibelübersetzung. Die Hymnen wurden von Rudolf Alexander Schröder ins Deutsche übertragen. Das Alpirsbacher Antiphonale besteht aus insgesamt zehn Einzelheften.

Die ersten rund 70 kirchlichen Wochen in Alpirsbach hatten keine rechtliche Form. 1948 wurde dann in Darmstadt der Verein Kirchliche Arbeit gegründet, dessen Name bei der ersten Hauptersammlung 1949 in Maulbronn in Kirchliche Arbeit Alpirsbach umgeändert wurde.

Die Erfordernisse des Vereinsrechts passten allerdings nicht zur fluktuierenden Struktur der kirchlichen Arbeit, und so wurde der Verein 1962 aufgelöst. Kirchliche Wochen gab es jedoch weiterhin – sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR. In letzterer entwickelte sich Gernrode zu einem Zentrum der gregorianischen Wochen. Nach der Wiedervereinigung kam mit den Überlegungen, die KAA mit den gregorianischen Wochen in der DDR zu vereinigen, die Diskussion über die Rechtsform wieder auf. Schließlich entschieden sich die Verantwortlichen für eine kirchliche Stiftung privaten Rechts. Seit 15 Jahren firmiert die KAA nun als solche. Ihr Präses ist Oberkirchenrat Rüdiger Schloz.