Zentrum der Installation im Kreuzgang: Der glockenförmig umgearbeitete Druckstock ragt als schwarzer Blickfang aus dem Meer von weißen Federn. Fotos: Wiegert Foto: Schwarzwälder-Bote

Installation "Der Palast morgens um 3 Uhr" im Alpirsbacher Kreuzgang zeigt die Kunst des offenbaren Verbergens

Von Claus Wiegert

Alpirsbach. Schon ein wenig zerzaust ist der Teppich aus Gänsefedern im Kreuzgarten des Alpirsbacher Klosters, aber auch einige Wochen nach Eröffnung der wahrlich außergewöhnlichen Ausstellung noch schneeweiß. Einige Federn haben sich in den Kreuzgang verirrt, wo sie ein Mann zusammenfegt. Wäre der labile Teil der Installation "Der Palast morgens um 3 Uhr (Ordo Inversus)" nicht rundum von schützenden Klostermauern umgeben, hätte ihn der Wind wohl schon längst weggeweht.

Wuchtig und unverrückbar steht hingegen der Glockenkörper mitten im Kreuzgarten – ein Kontrast, der schärfer nicht sein könnte: ein Symbol unvergänglicher Kunst, umgeben von wandelbarer Natur, schwarz auf weiß. Das Metallgerüst um das mit Teer überzogene Zentrum des Kunstwerks gibt dem Ganzen Werkstattcharakter, als ob der Künstler mit seiner Installation noch nicht fertig wäre.

Polarität und Spiegelung sind zwei wesentliche Merkmale des ebenso abstrakten wie konkreten, schwer symbolbeladenen Werks des in Essen lebenden Künstlers Christoph M. Loos. Wie oben, so unten: Dem Blick des Beobachters unzugänglich, hat Loos die Form des Glockenkörpers unterirdisch als leere Grube in den Boden gespiegelt. Das glockenförmige Monument in der Vertikalen hat sein Gegenstück in dem Federteppich in der Horizontalen. Dazu kommt in der Mitte der vier Seiten des Kreuzgangs jeweils ein Metallgestell mit Rollen hauchdünner Blatthölzer, die von dem als Druckstock verwendeten Baumstamm abgeschält wurden. Der Künstler verwendet die Blatthölzer als Träger seiner Drucke. Den Druckstock hat Loos wiederum zu dem Glockenkörper verarbeitet, der als Blickfang mitten im Kreuzgarten steht. Eine "genetische Einheit" verbindet diese Teile der Installation also, wie auf dem Informationsblatt zur Ausstellung vermerkt wird. Es gibt einen Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers und seinen philosophischen Hintergrund. Der Brückenschlag zwischen Ideen und Werk scheint zwar mitunter gewagt, ist aber hilfreich. Denn die Ausstellung mutet der Assoziationskraft des Betrachters viel zu.

"Verkehrte Welt"

Dass Loos "eine der radikalsten Positionen im zeitgenössischen Holzschnitt vertritt", wie zu lesen ist, glaubt man gerne. Der Künstler bezieht sich in seiner Installation auf die ideengeschichtliche Denkfigur "Ordo Inversus": eine Spiegelung, die sich selbst reflektiert. Mehr noch: Die Arbeit habe etwas von einem "Mundus Inversus", einer "verkehrten Welt". Dem sichtbaren Teil entspricht bei dem Glockenkörper und den Holzschnitten ein unsichtbarer, der ebenso bedeutsam ist. Offenbar ist also nur ein Teil des Kunstwerks, das Ganze lässt sich nur erahnen.

Wer bereit ist, sich gedanklich kühn anregen zu lassen und den spröden Reiz einer verblüffend hintergründigen Installation sinnlich erleben will: Der Palast ebenso plakativer wie verborgener Symbole ist noch bis zum 1. Februar geöffnet – allerdings nicht um 3 Uhr morgens.