Die Musiker Bernd Braun (links) und Wolfgang Brandner (rechts) haben sich von Wolfgang Wiebes Zyklus "Erdzeitalter" inspirieren lassen. Foto: Miller Foto: Schwarzwälder-Bote

Konzert: Wolfgang Brandner und Bernd Braun füllen den Kirchenraum von St. Michael mit Sphärenklängen

Ein durchaus ungewöhnliches Konzert haben die beiden Pianisten Wolfgang Brandner und Bernd Braun auf Einladung des Musikforums Burgfelden in der Michaelskirche gegeben – ungewöhnlich wegen der Synthese von Ton und Bild, aber auch wegen der Instrumentierung.

Albstadt-Burgfelden. Synthetische Sphärenklänge hört man im alten Burgfelder Gotteshaus, sonst eher Heimstatt klassischer Musik, nicht alle Tage. Brandner und Braun haben ein Experiment gewagt und ihr Publikum auf eine musikalische Zeitreise mitgenommen, die nicht wie gewohnt in eine bestimmte Epoche der Menschheitsgeschichte führte, sondern viel, viel weiter zurück: in die Entstehungszeit der Erde. "Erdzeitalter" heißt der aus neun Werken bestehende Gemäldezyklus Wolfgang Wiebes, von dem sich die beiden Musiker inspirieren ließen. Die – wohlgemerkt ungegenständlichen – Acrylbilder des Albstädter Grafikers und Kunstdozenten thematisieren die verschiedenen Phasen von Paläo- und Mesozoikum, die erdgeschichtlichen und klimatischen Umwälzungen und den mit etlichen Zeitenwenden einhergehenden Artentod, das Verschwinden alter und das Erscheinen neuer Tier- und Pflanzengattungen. Der Dynamik dieser Vorgänge entspricht Wiebes Umgang mit der Farbe: Er schüttet, spritzt, spachtelt, zerstäubt und kommentiert dergestalt die Katastrophen ohne das geringste Interesse an einem dekorativ-schönen Endprodukt.

Die Musik, in die Wolfgang Brandner diese Kunst übersetzte, stellte ebenfalls den Prozess übers Endergebnis – vieles im Konzert war improvisiert. Zögernd, tastend begann er, fast so, als beträte er einen zugefrorenen See und müsse vor dem Tanz erst einmal die Tragfähigkeit der Eis- respektive Erdscholle prüfen. Doch dann vibrierte die Luft auch schon vom Klang eines Didgeridoos, und die Töne schichteten sich auf wie Wiebes pastose Farbschlieren und dunklen Farbgründe. Wieder und wieder drehte der Musiker an den Schaltern und Knöpfen seines Synthesizer, verwebte Jazz-Einsprengsel mit uralten Trommelrhythmen und sah dabei einem modernen Schamanen und Magier gar nicht unähnlich. Fast hypnotisch wurde der Zuhörer in den Sog der kristallinen Klangimprovisationen gezogen und glaubte fast zu spüren, wie Wassertropfen seine Haut netzten oder der über die Einöde jagende Wind sie ausdörrte.

Während Brandner, der Jazzer, die Vitalität und Kräfte der Erde in den Blick nahm, fokussierte Kirchenmusiker Bernd Braun auf andere Aspekte der "Erdzeitalter", etwa auf die Flächigkeit der Bilder, die, im Verein mit dem kleinteiligen Aufbau, die Beständigkeit des Wandels in der Natur widerspiegelte und dem ekstatischen das kontemplative Moment zur Seite stellte. Er spielte Werke des amerikanischen Komponisten Philip Glass, deren schwebende, sich nur unmerklich verändernde Klangmuster ein Gefühl von Dauer vermitteln und eine friedvoll-lebendige Stimmung verbreiteten – Brauns Vorträge gerieten zur Meditation. Einmal allerdings griff auch er zum breiteren Pinseln und zu experimentellen Klangmitteln: Mit Tierlauten und furiosen Perkussionssequenzen, mit Störmomenten und Brüchen im Klangstrom brachte er die Prozesse des endlosen Werdens und Vergehens ans Licht – der Applaus für seine Eigenkomposition war ihm sicher.