Landesbühne Sachsen-Anhalt gibt im Tailfinger Thalia-Theater Shakespeares "Romeo und Julia"

Von Angelika Ringwald

Albstadt-Tailfingen. Als ungewöhnlich war Christoph Biermeiers Inszenierung von Shakespeares "Romeo und Julia" angekündigt worden – nicht zu Unrecht, wie sich beim Gastspiel der Landesbühne Sachsen-Anhalt im Thalia-Theater erwies.

Zielgruppengerecht wollte sie auch sein – das Publikum bestand überwiegend aus Jugendlichen, und die wurden gleich zu Beginn mit Bühnenaccessoires konfrontiert, die ihnen wenigstens zum Teil vertraut gewesen sein dürften: E-Gitarre, AC/DC-Shirt, Springerstiefel. Die Inszenierung mit den Versatzstücken gegenwärtiger oder auch verflossener Jugendkultur entpuppte sich rasch als absolut sehenswert – vor allem die schauspielerische Leistung von Markus Braun in der Rolle des Romeo war überaus authentisch und geeignet, die etwas ältere Jugend in ihren Bann zu schlagen.

Zunächst schreckt das Rocker-Outfit der Capulets – Julias Sippschaft – freilich ab, doch als Romeo und Freund Mercutio in Pandabär- und Froschmaske den Ball der Gegenseite besuchen, sprich: Party machen wollen, bricht das Eis, und das Publikum taut zusehends auf.

Balkonszene überzeugt auch die Skeptiker

Spätestens in der Balkonszene ist dann auch der letzte Kostüm-Skeptiker ergriffen: Ein absolut glaubwürdiger Romeo gesteht seine Liebe dem "Mädchen mit den Flügeln", wie er Julia zunächst nennt, nicht ahnend, dass sie dem Capulet-Klan angehört, mit der seine Familie, die Montagues, verfeindet ist.

Und so nimmt das Drama seinen Lauf. "Blutwurst zum Dessert" wird angedroht – und am Ende auch "serviert". Familienkrieg, Bandenkrieg, Totschlag – das vor über 400 Jahren erdachte Szenario mutet erschreckend aktuell an. Erschütternd, wie wenig sich seither geändert hat, wie wenig dazu gelernt wurde, wie eng und beschränkt auch heute noch gedacht und gehandelt wird. Die Bühnenduelle zwischen den Familien sind durchaus realistisch, die Mordszenen muten wirklichkeitsnah an, ergreifend ist das Sterben der Hauptdarsteller. Doch trotz der tragischen Handlung versteht es Regisseur Biermeier – manch einer kannte ihn vielleicht noch aus seiner Zeit als Hausregisseur am Melchinger Theater Lindenhof – , zwischendurch Heiteres einfließen zu lassen. So lässt er zum Beispiel Franziskanermönch Lorenzo, gespielt von Ismael Volk, bei der Trauung ein lockeres "What a Wonderful World" singen – sehr zur Erheiterung des Publikums.

Fazit: Es war interessanter und nachdenklich stimmender Theaterabend, der den Nerv traf und auch bei den Jugendlichen sehr gut ankam – aufgeregte Diskussionen bezeugten es. Und zudem, wie aktuell und anregend Shakespeare auch heute noch ist.