Die Gegner der neuen Albstädter Wasserpreisstruktur haben am Mittwoch Besuch vom Südwest-Fernsehen erhalten. Foto: Kistner

Hitzige Diskussion geht weiter: "Zehn Cent mehr hätte jeder akzeptiert". Eine Zivilklage wäre vorstellbar.

Albstadt-Tailfingen - Die hitzige Diskussion um den neustrukturierten Albstädter Wasserpreis geht weiter. Der Strafanzeige wegen Wucher könnte als nächstes eine Klage folgen. Das Fernsehen war mittlerweile auch da.

Die Runde, die sich im Tailfinger Café am Markt versammelt hat, zählt mehr als ein Dutzend Köpfe – zwei Damen, der Rest Herren, die meisten davon im rüstigen Rentenalter. Der Gesprächston ist erregt, obgleich keineswegs kontrovers diskutiert wird – in der Sache könnte man sich nicht einiger sein. Der Tenor der Statements, die vor laufender Kamera gemacht werden, lautet so: Der neustrukturierte Wasserpreis wird als schreiend ungerecht empfunden, und zwar nicht nur von denen, die bei gleichem Verbrauch in Zukunft 50, 70 oder sogar 150 Euro mehr bezahlen sollen als bisher.

Neben dem Herrn, dessen Mutter vor einiger Zeit ins Heim umgezogen ist und nun für den Nullverbrauch viermal soviel bezahlen soll wie bisher, sitzen einige am Tisch, denen die Neuregelung keine finanziellen Einbußen beschert, die allenfalls befürchten, künftig, wenn aus dem Zwei- ein Ein-Personen-Haushalt geworden sein sollte, zu den Benachteiligten zu gehören. Aber auch sie empfinden die Vervierfachung des Grundpreises als skandalöse Benachteiligung von gut der Hälfte der Verbraucher – zum einen der Häuslebauer, bei denen auf einen Haushalt auch ein Wasserzähler kommt, zum anderen derer, die allein wohnen oder aus anderen Gründen – etwa ökologischen – ihren Wasserverbrauch niedrig halten.

Aber was heißt hier gerecht? Ist es nicht gerecht, dass der mehr bezahlt, der mehr Infrastruktur in Anspruch nimmt? Und die Infrastruktur, der Fernsehreporter macht sich zum "advocatus diaboli" und gibt die Position der Albstadtwerke wieder, werden nun mal über den Grundpreis finanziert – so sehe es unter anderem das Landeskartellamt, das auf andere Bundesländer mit höheren Durchschnittsgrundpreisen verweise. Mag sein, lautet die Replik, dass in Baden-Württemberg, der Heimat der Häuslebauer, der Verbrauch stärker berücksichtigt werde als anderswo – aber das sei ja auch richtig so: Infrastruktur, das seien ja nicht nur die Zähler, sondern vor allem das Leitungsnetz und die Wasseraufbereitung, und wer diese Kosten gerecht verteilen wolle, für den gebe es keine geeignetere Richtgröße als den Verbrauch: "Niemand hätte sich über zehn oder 20 Cent Preisaufschlag pro Kubikmeter beschwert – und die Viertel- oder halbe Million zusätzlich wäre auch in der Kasse gewesen." Selbst eine moderate Erhöhung des Grundpreises bei gleichzeitiger Beibehaltung des Verbrauchspreises wäre noch akzeptiert worden – "aber nicht das hier".

Aber hat die neue Preisstruktur nicht auch eine soziale Komponente? Fördert sie nicht die Familien und die im Zweifelsfall weniger Betuchten im Miethochhaus? Erstens, so das Gegenargument, gebe es auch noch die allein lebende alte Dame, die sich ihr Häuschen vom Munde abgespart habe – "niemals Urlaub!" – und finanziell nicht auf Rosen gebettet sei, und zweitens sei es nicht Sache der Albstadtwerke, für sozialen Ausgleich zu kämpfen: "Das sollen sie Sahra Wagenknecht überlassen."

Den Rechtsweg beschreiten will allerdings derzeit nur eine Minderheit – die Zuversicht hält sich in Grenzen. Die Strafanzeige wegen Wuchers, die ein Tailfinger gegen die Albstadtwerke erstattet hat, ist von der Staatsanwaltschaft in Hechingen zurückgewiesen worden; die Beschwerde dagegen liegt jetzt in Stuttgart. Der Tailfinger Rechtsanwalt Manfred Leuschner erwägt zudem die Chancen einer Zivilklage – da die Stadtwerke keine Behörde, sondern ein Unternehmen sind, kommt eine Verwaltungsklage wohl nicht in Betracht. Sittenwidrigkeit wäre ein denkbarer Ansatzpunkt – die Albstadtwerke, so Leuschner, schlügen immerhin Kapital daraus, dass der Verbraucher von Wasser nicht wie beim Strom den Anbieter wechseln könne. Außerdem hat Leuschner in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Albstadtwerke den Passus entdeckt, dass "Preisänderungsklauseln" "kostennah" auszugestalten seien. Jetzt wünscht er Einblick in Preisgestaltung und Kostenstruktur der Albstädter Wasserversorgung. Bis jetzt hat er ihn nicht erhalten.

Weitere Informationen: Der Fernsehbeitrag über den Albstädter Wasserpreisstreit wird heute in Südwest 3 ausgestrahlt, und zwar in der Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg". Diese beginnt um 20.15 Uhr.