Das Amtsgericht Albstadt war erneut Schauplatz des "Reichsbürger"-Prozesses. Foto: Gusenko

Amtsgericht verurteilt Hauptangeklagten zu einem Jahr und neun Monaten. Vater und Sohn abwesend.

Albstadt-Ebingen - Das Amtsgericht Albstadt hat am Mittwoch den 53-jährigen "Reichsbürger", der der vorsätzlichen Körperverletzung, der Beleidigung und des Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt war, in Abwesenheit zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt. Ohne Bewährung.

Der Richter hatte der eigentlichen Urteilsbegründung einige grundsätzliche Anmerkungen vorausgeschickt: Worte des Danks an die Albstädter Polizei, die – um die Öffentlichkeit dieses Prozesses sicherzustellen – fünf Beamte abgestellt und die Zusatzbelastung klaglos auf sich genommen habe, sowie ein Bekenntnis zum bundesdeutschen Staatswesen, das bereit sei, um der Rechtsstaatlichkeit willen einen "irrsinnigen Aufwand" zu treiben, das seine Ordnungshüter zu einem beispielhaft zivilen Umgang mit ihrer Klientel anhalte und das auch die Rechte derjenigen Bürger peinlich genau beachte, die – wie die Angeklagten dieses Prozesses – systematisch versuchten, seine Institutionen aus Eigennutz stillzulegen.

Der Hauptangeklagte bekämpfe diesen Staat und fordere ihn heraus, so der Richter, und es sei durchaus angemessen, Leute seines Schlages nicht länger als bloße Querulanten zu verharmlosen, sondern sie ernst und ihre Herausforderung anzunehmen. "Hier tut eine drastische Mitteilung Not, dass das Maß voll ist."

Wäre es nach dem Staatsanwalt gegangen, dann wäre die Mitteilung noch drei Monate drastischer ausgefallen: Er hatte zwei Jahre Haft beantragt, der Verteidiger ein Jahr und drei Monate – dass eine Geldstrafe angesichts der verhandelten Delikte nicht mehr in Betracht kam, darüber war man sich offenbar einig.

Die entscheidende Frage war aber nicht die nach der Haftdauer, sondern nach einer möglichen Bewährung, für die der Verteidiger plädiert hatte. Der Richter erklärte jedoch, bei einem Strafmaß von einem Jahr müssten besondere Umstände als Rechtfertigung für eine Bewährung vorliegen – die gebe es zwar, aber "genau in die entgegengesetzte Richtung".

"Dem Angeklagten geschieht buchstäblich Recht"

Der Hauptangeklagte lasse nichts unversucht, den Staat und seine Diener zu provozieren, er lege es mit Methode auf die Auseinandersetzung mit der Polizei an, er stelle sich über das Gesetz – ihm geschehe buchstäblich Recht, wenn der Rechtsstaat ihn die Folgen dieses Tuns spüren lasse, betonte der Richter. Daher keine Bewährung.

Einig waren sich Staatsanwalt, Verteidiger und Richter in ihrer Einschätzung der Validität der Zeugenaussagen: Die Vorwürfe seien stichhaltig und die Zeugen glaubhaft. Die dritte Verhandlungsrunde hatte – aufgrund der erneuten Abwesenheit der Angeklagten verspätet – mit der Anhörung des persönlichen Referenten und der Vorzimmerdamen von Albstadts Oberbürgermeister Klaus Konzelmann begonnen, die dem Angeklagten am 26. August 2015 die Unterschrift unter einen – im Zweifel agitatorischen – Schriftsatz verweigert und nur einen Eingangsstempel zugestanden hatten. Womit dieser offenbar gerechnet hatte: Er sei schon beim Eintreten "auf 180" gewesen, berichtete die eine Zeugin, und den von Damen zu Hilfe gerufenen Referenten habe er, ehe der auch nur "Guten Morgen" sagen konnte, als "Nazi" und "Rechtsverdreher" beschimpft.

Er wurde des Hauses verwiesen, ignorierte dies und prügelte sich anschließend mit der Polizei, die das Hausverbot durchsetzen sollte, nachdem ein Beamter den Sohn des Angeklagten am Filmen des Vorgangs für die Internet-Videoplattform "YouTube" zu hindern versucht hatte.

Eine weitere Keilerei mit der Ordnungsmacht der vom Angeklagten nicht anerkannten Bundesrepublik Deutschland folgte im Oktober. Der Angeklagte und ein Begleiter hatten auf Langenwand eine städtische Geschwindigkeitsmessstelle entdeckt und machten jetzt winkend und die Fahrbahn teilweise blockierend nahende Autofahrer auf die Radarfalle aufmerksam. Das allein ist nicht verboten, wohl aber, dabei den Verkehr zu behindern.

Als die Polizei eintraf, weigerte der Angeklagte sich wie gehabt, seinen Ausweis zu zeigen und den Schauplatz des Geschehens zu verlassen. Er schwang die Fäuste, als ein Polizist seinem filmenden Sohn das Handy abnahm. Darauf setzte dessen Kollege Pfefferspray ein; es entspann sich eine Keilerei, bei welcher der Angeklagte so auf dem Polizisten zu liegen kam, dass dem die Luft wegzubleiben drohte und sein besorgter Kollege mit dem Griff zur Dienstwaffe drohte: "Muss ich denn erst ziehen?" Erst nach dem Eintreffen einer weiteren Streife entspannte sich die Situation.

Weitere Zeugen, die angehört wurden, waren Michael Pfohl, der frühere Leitende Oberstaatsanwalt am Landgericht Hechingen, und ein Hechinger Polizist: Der Angeklagte hatte sie, weil ihm auch in Hechingen eine Unterschrift verweigert wurde, als "Verbrecher" tituliert und sich ordnungswidrigerweise mit einem Fantasieausweis der "Reichsbürger" ausgewiesen. Pfohls Kommentar: "Ich weiß nicht, warum er überhaupt Wert auf Unterschriften von Bediensteten einer ›GmbH‹ legt – von meiner bekam er jedenfalls keine."

Nach den Hechingern wurde ein Balinger angehört, ein Amtsrichter, den der Angeklagte "Pustekuchen" genannt haben soll, und zum Schluss ein Mann aus dem südbadischen Hardt, der in Truchtelfingen einen Mietschuldner ausfindig zu machen versucht hatte. Dieser alarmierte darauf einen Freund – eben den Angeklagten –, der den Badener anschließend gut und gerne zehn Minuten lang durchs Rossental scheuchte, ihm einen Fausthieb unters Auge versetzte und ihn über einen Scherenzaun warf.

Der Sohn des Angeklagten wurde vom Amtsgericht zu 120 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt, aber möglicherweise wird er sie so bald nicht zahlen – und sein Vater nicht die Haft antreten: Es sieht ganz danach aus, dass die beiden das Urteil anfechten werden; sowohl Revision als auch Berufung sind möglich.

In Albstadt muss er nicht dabei sein – und in Sigmaringen darf er nicht

Weder Vater noch Sohn waren bei der Urteilsverkündung zugegen – wieder hatten sie Atteste vorgelegt, die ihnen die Unfähigkeit bescheinigten, einer Gerichtsverhandlung zu folgen. Die gilt allerdings nur für die eigenen Prozesse: Dem Sigmaringer "Reichsbürger"-Prozess in der vergangenen Woche hätte der Hauptangeklagte nur zu gerne beigewohnt. Dass er dort war, ist bezeugt – er wurde allerdings nicht eingelassen. Im Gerichtssaal war kein Platz mehr.