Kraftvoll hat Jörg-Hannes Hahn auf der Rensch-Orgel musiziert. Foto: Miller Foto: Schwarzwälder-Bote

Neben Bach stellt der Stuttgarter Kirchenmusikdirektor Hahn Oskar Blarr und Julius Reubke

Von Sabine Miller

Albstadt-Ebingen. Kraftvoller Start ins Winterhalbjahr: Gastorganist Jörg-Hannes Hahn hat unter dem Motto "Gott ist der Hort meiner Zuversicht" die Rensch-Orgel der Martinskirche.

Der Stuttgarter Kirchenmusikdirektor erwies sich beim ersten Konzert nach der Sommerpause als souveräner Interpret Bachs und Blarrs und als brillianter Gestalter von Reubkes Orgelsonate.

Den Namen Bach hatte Jörg-Hannes Hahn, der auch künstlerischer Leiter des Bachchors Stuttgart und der Reihe "Musik am 13." ist, gleich im Familienpack mit dabei: Zum einen bescherte Johann Sebastian Bachs vorwärtsdrängendes "Praeludium et fuga in e" und sein stilles, mit leichter Hand wiedergegebenes Stück "An Wasserflüssen Babylon", eine Choralbearbeitung aus den sogenannten "Leipziger Chorälen", dem Publikum einen harmonischen und gefälligen Auftakt.

Zum anderen war mit einer Sonate Carl Philipp Emanuel Bachs als drittem Stück ein trotz 300. Jubiläum in diesem Jahr immer noch viel zu selten gespielter Komponist zu hören. Johann Sebastian Bachs zweitältester Sohn hat wunderbare Musik geschrieben und gilt als Hauptvertreter der "musikalischen Empfindsamkeit", jener Strömung zwischen Barock und Wiener Klassik, in der Emotionen im Zentrum stehen. Schroffe Tempowechsel, jähe Abbrüche, rasende, fast geisterhafte Läufe, silberhelle Tongespinste, wie ein Irrlicht erscheinende und wieder abtauchende Bruchstücke einer zauberhaften Melodie, dunkler Hall aus der Tiefe und explodierende Wucht: Jörg-Hannes Hahn akzentuierte Carl Philipp Emanuel Bachs komplexe Tonschöpfung mit enormem Ausdruckswillen, aber ohne Effekthascherei.

Und auch beim nächsten Vortrag ging Hahn konzessionslos ins Extreme, denn konträr dem Titel "Zum ewigen Frieden" ist die Durchdringung des Klanglabyrinths aus der Feder des Zeitgenossen Oskar Gottlieb Blarr eine Herausforderung für Organist – und Hörer. Die Komposition bewegt sich weitab jedweder fromm-musikalischen Idylle, schwelgt geradezu in Dissonanzen und schaukelt sich hoch zum apokalyptischen Tosen. Dass sie überhaupt genießbar ist, verdankt sie der sich durch alle Werke des in Ostpreußen geborenen Musikers ziehenden expressiven Wärme, die Jörg-Hannes Hahn in der Martinskirche mit seiner zwar äußerst konzentrierten, gleichwohl impulsiven Herangehensweise in aller Fülle hervortrieb.

Mutig war zudem, Blarr vor Julius Reubkes "Sonate c-Moll über den Psalm 94" zu stellen. Dieses halbstündige Meisterwerk der Orgelliteratur braucht einen langen Atem – doch den hatte Hahn. Unter permanenter Hochspannung fühlte er absolut glaubwürdig den Intentionen des allzu früh verstorbenen Orgelbauersohnes und Liszt-Schülers nach und präsentierte dessen "sinfonische Orgeldichtung", die bis heute in puncto technische Machbarkeit Maßstäbe setzt, gestochen scharf und mit aller alttestamentarischen Würze.

Gott als Rächer – verstörend genau hat Reubke das in Klang umgesetzt. Der Macht und dem Sog dieser einzigartigen Musik konnte sich wohl auch kaum ein Albstädter Ohr entziehen.