Schattentheater vor dem "Star Spangled Banner": Auch die Neue Welt erhielt Besuch von den tanzenden Schatten. Foto: Bender Foto: Schwarzwälder-Bote

Thalia-Theater: Das Ensemble "Catapult" zeigt seinem Publikum einen Bilderbogen ohne Farben und Worte

In eine zugleich ästhetische und phantastische Schattenwelt wurde am Samstag das Publikum im Tailfinger Thalia-Theater versetzt: Das Tanzensemble "Catapult" präsentierte sein Programm "Amazing Shadows".

Albstadt-Tailfingen. Das Erste, was die Zuschauer auf der überdimensionalen Leinwand erblickten, war schattenhaftes Schilf – und Frösche. Doch natürlich beließen es die fünf Tänzerinnen und drei Tänzer – sie stammen größtenteils aus Italien und den USA und haben das Handwerk Tanz und Akrobatik von der Pike auf gelernt – nicht dabei. Vielmehr gingen sie auf Weltreise: In Paris tanzten sie unter dem Eiffelturm Can-Can, in Ägypten ritten sie auf einem Kamel an der Sphinx vorbei, in Venedig ließen sie eine Gondel im Canale Grande versinken, in Indien den Taj Mahal erstehen, und in Afrika reisten sie hoch zu Elefant – zu guter Letzt landeten sie sogar auf dem Mond. Und all das, ferne Länder, Traumwelten, ganze Geschichten, ausschließlich als Silhouette, nur mit Licht und Schatten.

Nur mit Licht und Schatten? Keineswegs! Schließlich war es die Bewegungskunst und Körperbeherrschung der jungen Tänzer, die mal Bauwerke, mal Gegenstände, mal Tiere erschuf – und zwar in irrwitzigem Tempo und sozusagen "fließend". Und bei der Weltreise blieb es nicht – verschiedene Zeitreisen schlossen sich an: Truppen marschierten auf, die Berliner Mauer entstand und fiel wieder unter dem Jubel der Menschen, die endlich nicht mehr getrennt waren. Die Entwicklung eines Kindes dauerte auf der Leinwand nur wenige Minuten, eine Spionagegeschichte à la James Bond ließ Spannung aufkommen, und kurz darauf fand man sich an der Seite eines Wals in einer Unterwasserwelt wieder – unablässig wechselten die Tänzer hinter der Leinwand ihre Gestalt.

Danach die Jahreszeiten – man vernahm Vivaldi, die quakenden Frösche waren wieder da, eine große Raupe kroch über die Leinwand, und Blumen erblühten. Dann wurde es Sommer, im See tummelten sich Schwimmer, und Urlauber sonnten sich am Strand. Mit dem nahenden Herbst fielen die Blätter, und zum Schluss gefror der Wasserspiegel des Sees, und Schlittschuhläufer bevölkerten die Eisfläche. Sogar einen Weihnachtsbaum kann man mit seinem Körperschatten darstellen – wenn man es kann.

Die "Catapult"-Tänzer können es. Das perfekt choreografierte Zusammenspiel der Schemen, die ihre biegsamen Körper auf die Leinwand projizierten, mutete wundersam an und manchmal grotesk, etwa, wenn sich die untere Körperhälfte einer Frau in den Oberkörper verwandelte oder ein Mensch von einem riesigen Kopf aufgefressen und wieder ausgespuckt wurde. Den ganzen Abend fiel kein einziges Wort – die Körper drückten alles aus; es bedurfte keiner Sprache.