Leutselig, herzlich und gesellig, so kennen die Albstädter den Jubilar: Wolfgang Gross bei der Übergabe seiner Bäckerei an das Ehepaar Stemke, als "bärenstarker" Festbesucher, bei der Übergabe des HGV-Vorsitzes an Manuela Früholz, auf dem Hamburger Fischmarkt und dem Weihnachtsmarkt (von oben links im Uhrzeigersinn). Fotos: Eyrich (4), Rapthel-Kieser (1) Foto: Schwarzwälder-Bote

"Ochsenbäck" Wolfgang Gross feiert heute seinen 70. Geburtstag / Interessen von HGV und Stadt gebündelt

Von Karina Eyrich

Albstadt-Ebingen. Eine dicke Scheibe Stadtgeschichte steckt in den 70 Lebensjahren, die Wolfgang Gross heute vollendet – und manches kleine Geheimnis. Der Ehrenvorsitzende des Handels- und Gewerbevereins Albstadt-Ebingen (HGV) war stets ein Modernisierer und will damit noch lange nicht aufhören.

Sein Ahnenhäusle gehört zu den kleinsten im Unteren Stadtgraben, und doch hat er seinem Namen alle Ehre gemacht: Wolfgang Gross – 29 Jahre lang Stadtrat und 25 Jahre lang HGV-Vorsitzender – war der Erfolg nicht in die Wiege gelegt. Sein Vater Paul Gross war seit 1944 im Krieg vermisst, und so wuchs er als Kriegs-Waise mit seiner Mutter Luise, geborene Bitzer, und seinem Großvater Fritz Bitzer in der Ulrichstraße 45 auf. Warum ihn die Mutter an vier Handwerksbäckern vorbei zu Wilhelm Ochs in den Kirchengraben schickte, um ihr Hutzelbrot backen zu lassen, verstand er zuerst nicht: "Mir ist nur aufgefallen, dass der Mann sehr freundlich zu mir war", erinnert sich Gross schmunzelnd. Es bahnte sich etwas an, das mit einer Hochzeit 1951 besiegelt wurde.

Kirchengraben gegen Sonnenstraße

"Wilhelm Ochs war nie mein Stiefvater – er war ein ganz toller Vater", sagt Gross im Rückblick. Hunger kannte die Familie in der Bäckerei naturgemäß nicht, und so denkt Gross noch heute gerne an eine glückliche Kindheit zurück: "Spiel- und Bolzplätze brauchten wir nicht – wir haben in den Kriegsruinen gespielt." Und wie damals üblich: "Es gab Banden." Gross gehörte zur "Kirchengrabenbande", die sich oberhalb des Friedhofs oft heiße Fußballspiele mit der "Sonnenstraßenbande" lieferte und zu der auch Hubert Wicker, später Leiter der Staatskanzlei, gehörte. Ein etwas jüngeres Mitglied derselben ließen die älteren Jungs freilich vorerst nicht mitspielen – heute ist Jürgen Gneveckow der Spielmacher in der Stadt: Seit 1999 ist er Oberbürgermeister.

Ein wichtiger Tummelplatz für das Einzelkind Wolfgang Gross waren seit 1954 die Christlichen Pfadfinder St. Martin Ebingen, wo er es 1959 zum Sippen- und 1962 zum Stammesführer brachte. "Dort habe ich Disziplin, Selbstkritik, den Umgang in der Gruppe und Selbstbewusstsein gelernt, und wo immer ich tätig war, wollte ich mitbestimmen", sagt er. "Außerdem ich habe früh begriffen: Wenn du etwas tust, musst du es mit Herzblut tun." Diese Einstellung zieht sich bis heute durch das Leben des Ebingers, der schon mit zwölf Jahren in der Backstube seines Vaters half, für den Ofen verantwortlich und deshalb schwer erleichtert war, als 1958 eine Ölheizung eingebaut wurde. Schon damals war für Wolfgang Gross klar: Er wollte Bäcker werden, wenngleich sein Vater lieber einen Pianisten aus ihm gemacht hätte. "Als solcher war ich gar nicht schlecht und bereue es bis heute, dass ich das Klavierspielen nicht weiter verfolgt habe", sagt er.

Doch dem Duft der Backstube konnte er nicht widerstehen: "Das ist etwas Wunderbares – da wird man süchtig", schwärmt Gross. So absolvierte er 1959 bis 1962 seine Bäckerlehre beim Vater, arbeitete bis 1969 als Geselle und lernte 1960 auf dem Waldheim Inge Amann kennen, die im Sozialamt der Stadt arbeitete und gerne in die nahe Bäckerei Ochs kam. Der Grund war derselbe wie einst jener für Wolfgang Gross’ Hutzelbrot-Botengänge.

Aus Berlin istnichts geworden

Sieben Jahre waren die beiden verliebt, drei Jahre verlobt, bis am 21. Juli 1970 endlich die Hochzeitsglocken läuteten – da war Gross seit einem Jahr Bäckermeister. Seine Frau hätte Gross damals gerne nach Berlin begleitet, wo er sich beruflich weiterentwickeln wollte. Doch der Tod seines Vaters 1971 vor Weihnachten beendete diese Pläne, und so führte Gross mit seiner Mutter, ab 1973 dann selbständig, die Bäckerei Ochs – bis 2011. Dankbar ist er noch heute für die Unterstützung seiner Frau Inge, die bald vom Rathaus an die Bäckertheke wechselte und "ohne die ich vieles nicht geschafft hätte", wie Gross betont. Um sich die Arbeit zu erleichtern, machte Gross seine Bäckerei früh zu einer der modernsten der Region, experimentierte mit Tiefkühltechnik, um Teig einfrieren zu können, schaffte sich eine Mühle an und war bald einer von rund 20 "Schnitzer-Bäckern", die Vollwert-Brote anboten.

Dass er sich auch im Bereich Dinkel spezialisierte, brachte ihm Kundschaft aus dem ganzen Zollernalbkreis ein: Der "Ochsenbäck" – Werbestratege Gross machte den Begriff zu einem Markenzeichen – war bekannt wie ein bunter Hund, betrieb 1974 bis 2003 sogar eine Filiale in Lautlingen und ist noch heute ein Begriff, obwohl das Ehepaar Stemke die Bäckerei 2011 umbenannt hat, als Gross sich zur Ruhe setzte.

Seine Mitarbeit im HGV seit 1973 war die logische Konsequenz seiner modernen Einstellung. Seit 1975 übernahm er den stellvertretenden, 1989 dann den Vorsitz, den er bis Mai 2014 behielt. Hand in Hand damit ging sein Einsatz von 1980 bis 1985 und von 1990 bis 2014 in der Gemeinderatsfraktion der CDU, die er vor allem für ihre familiäre Gemeinschaft schätzte. Seine Ziele in beiden Ehrenämtern deckten sich oft, und schnell war ihm klar, "dass wir politisch denken und handeln mussten im HGV", zum Beispiel um "den Verkehr rauszubringen aus der Innenstadt".

Die Idee für den Bau des Westtangententunnels unterstützte Gross daher von Anfang an, und "meine ewige Parkplatzpolitik" – der Kampf um innenstadtnahe Parkplätze in großer Zahl – dauert bis heute an, da Gross Ehrenvorsitzender des HGV ist.

Stolz ist Gross auf den Weihnachtsmarkt, für den der HGV 60 Holzhäuschen angeschafft hat – das letzte wird 2015 abbezahlt sein –, und auf Großveranstaltungen wie den Maimarkt und den Hamburger Fischmarkt, die "Leute in die Stadt ziehen, welche auch danach wiederkommen".

Stadtteildenken? Nicht mit ihm!

Ein Stadtteildenken lag Wolfgang Gross bei all dem stets fern: "Wenn es Albstadt gut geht, geht es auch den Stadtteilen gut", lautet das Credo des Jubilars, der früh ein Verfechter des Plans war, jedem Stadtteil Aufgaben gemäß seinen Stärken zuzuweisen.

Dankbar ist Gross für die tatkräftige und menschliche Unterstützung seiner Frau Inge, deren Tod ihn 2010 schwer traf, und seiner neuen Lebensgefährtin Christa Wieland: "Wer sich in der Öffentlichkeit bewegt, muss viel Kritik einstecken – da braucht man jemanden, der einen auffängt und aufbaut."

Was ihn selbst aufbaut? Es ist das gute Gefühl, "dass ich immer politisch fair mit der Stadt gerungen und Kritik nur geübt habe, wenn sie notwendig und konstruktiv war". Einmischen will er sich deshalb weiterhin hier und da. Schließlich gibt es wenige, die Albstadts Geschichte so intensiv mitgeprägt haben.