Hände auf Gitterstäben: Depressionen, Suchterkrankungen und Vereinsamung erhöhen das Suizidrisiko im Gefängnis. Foto: Seeger

2014 haben sich vier Häftlinge in Gefängnissen das Leben genommen. Depressionen und Vereinsamung erhöhen Suizidrisiko.

Albstadt/Stuttgart - Der Tod des mutmaßlichen Doppelmörders von Albstadt sorgte am Dienstag für Schlagzeilen. Doch das Problem ist nicht neu: Immer wieder begehen Menschen in Gefängnissen Suizid.

Landesweit setzen nach Angaben des baden-württembergischen Justizministeriums 2014 vier Gefangene ihrem Leben ein Ende (inklusive dem aktuellen Suizid), 16 weitere haben versucht, sich in ihrer Zelle zu töten. Im Jahr 2013 kam es zu sieben Suiziden (29 Suizidversuche), 2012 zu neun (25 Suizidversuche), 2011 zu einem (15 Suizidversuche) und im Jahr 2010 zu drei Suiziden (18 Suizidversuche).

Doch was sind die Gründe für die Selbstmorde? Nach Angaben des Ministeriums führen in erster Linie depressive Störungen, Suchterkrankungen, schizophrene Psychosen und Vereinsamung zu einem erhöhten Suizidrisiko. In Justizvollzugseinrichtungen würden zudem Untersuchungsgefangene, Gefangene, die einen Suizid ankündigen, Gefangene mit Sprachschwierigkeiten, Gefangene, die sich aus der Gemeinschaft zurückziehen sowie Gefangene, die sich selbst vernachlässigen als Risikogruppen gelten.

Zudem könne auch bei Tätern mit direkten oder indirekten Rauschgiftdelikten, Straftaten gegen Leib und Leben, Sexualstraftaten eine Suizidgefährdung vorliegen.

Am schwersten ist für die Häftlinge offenbar die erste Zeit. Experten sprechen in diesem Zusammenhang vom "Inhaftierungsschock“. Diese Zeit geht oft mit einem Gefühl der Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, Ohnmacht einher.

Die Erfahrung zeige, dass kurz nach der Inhaftierung, vor allem in der Untersuchungshaft, vor, während und nach Gerichtsterminen sowie bei Beziehungsproblemen Suizide gehäuft auftreten können, bestätigt auch das Justizministerium.

Bedienstete im Justizvollzug werden speziell geschult

Der 46-jährige Jörg K. aus Albstadt (Zollernalbkreis) saß seit Anfang April in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim, wo er sich in der Nacht zum Montag in seiner Zelle erhängte. Das Verfahren gegen den Tatverdächtigen war vergangene Woche eröffnet worden. Für Ende September war die Hauptverhandlung terminiert.

Der Mann soll zwischen dem 22. und 24. März einen 81-Jährigen und dessen 77-jährige Frau im Stadtteil Ebingen aus Geldgier grausam ermordet haben. Die Frage, ob er die Tat auch wirklich begangen hat, wird nun kein Gericht mehr beantworten. Welche Beweise die Staatsanwaltschaft in der bereits terminierten Hauptverhandlung gegen den 46-Jährigen vorbringen wollte, bleibt ebenso unbekannt.

Die Akte, in der die gesammelten Erkenntnisse der Ermittler sowie Gutachten zusammengefasst sind, gilt als vertraulich. Mit dem Tod Ks. wird das Verfahren eingestellt. Die Akte bleibt unter Verschluss. Die Staatsanwaltschaft Hechingen verweist darauf, dass die Ermittlungsakte und die Anklageschrift zunächst einmal allein den Verfahrensbeteiligten zugänglich sein. Diese müssen sie streng vertraulich behandeln.

Das baden-württembergische Justizministerium betont, dass die Bediensteten im Justizvollzug grundsätzlich zu der Thematik geschult werden. Die Angestellten würden auf Hinweise, die eine Suizidgefährdung nahelegen könnten, achten, so das Ministerium weiter.

Sofern sie den Eindruck hätten, dass Gefangene einen Suizid beabsichtigen, kämen verschiedene Sicherungsmaßnahmen in Betracht: Beispielsweise könnten Gegenstände wie Scheren, Rasierklingen oder Gürtel entzogen werden, zudem sei die gemeinsame Unterbringung mit anderen Gefangenen in einem Haftraum möglich, oder auch eine Beobachtung bei Nacht.

Wie sich Jörg K. erhängt hat, haben die Behörden bislang nicht mitgeteilt.

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