Diskutierten engagiert (von links): Axel Heider, Sabine Braun, Philipp König, Dorothee Hummel-Wagner, Peter Paulus und Klaus Konzelmann. Fotos: Eyrich Foto: Schwarzwälder-Bote

"Impulse – Gesunde Stadt Albstadt": Professor eröffnet neue Reihe mit aussagekräftigen Fakten

Einen "Mitmach- und Gestaltungsprozess" starten, an dem sich möglichst viele beteiligen sollen", will die Stadt mit dem Projekt "Impulse – Gesunde Stadt Albstadt", wie Oberbürgermeister Klaus Konzelmann zum Auftakt betonte. Dieser war vielversprechend.

Albstadt-Tailfingen. "Gesundheit bedeutet mehr als die Abwesenheit von Krankheitssymptomen", so wandelte Oberbürgermeister Klaus Konzelmann ein Zitat des Schweizer Gesundheitsökonomen Gerhard Kocher zur Beginn der Auftaktveranstaltung "Impulse – Gesunde Stadt Albstadt" in der Technologiewerkstatt um und ergänzte: "Sie ist die Harmonie aller Systeme." Weil sich die Stadt ihrer Verantwortung bewusst sei, die Grundlagen für Gesundheit ständig anzupassen, startet sie – ergänzend zur Gesundheitsmesse "gesinA" und dem Aktions- und Infotag "Generation Plus" die neue Reihe, die in loser Folge zahlreiche Aspekte des Themas aufgreifen und möglichst viele Bürger einbinden will.

Projektleiterin bei der Stadt ist Dorothee Hummel-Wagner vom Pflegestützpunkt, charmante und kenntnisreiche Moderatorin des Abends, den Peter Paulus mit einem eindrucksvollen Referat bereicherte. Der Professor am Zentrum für Angewandte Gesundheitswissenschaften der Leuphana Universität Lüneburg wandelte ebenfalls ein Zitat um, diesmal von Arthur Schopenhauer: "Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit funktioniert kommunale Entwicklung nicht."

Paulus machte deutlich, dass zur Gesundheit das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden sowie die gelungene Bewältigung innerer und äußerer Anforderungen gehörten, und er ging auf Einflussfaktoren wie die Globalisierung, "McDonaldisierung" und "Aldisierung" ein. Zu 40 bis 50 Prozent beeinflussten sozioökonomische Bedingungen und der Lebensstil die Gesundheit, so Paulus, zu 20 Prozent Umwelt und Wohnbedingungen, zu 20 bis 30 Prozent die genetische Veranlagung und zu zehn bis 15 Prozent die Gesundheitsversorgung.

"Deutschland gehört zur Spitzengruppe der gehetzten Nationen", so Paulus. "Die Schlafdauer und die Freizeit haben abgenommen, die Bewegung ist um zehn Prozent schneller als vor zehn Jahren." So gerieten die Systeme aus dem Gleichgewicht, vor allem psychische Erkrankungen nähmen zu, die Gesellschaft sei erschöpft.

Auffällig: Lebenserwartung und Gesundheit seien sozial ungleich verteilt, hingen auch vom Einkommen ab, und für viele werde Gesundheit zur Ersatzreligion. Die Folge: Gesundheitsprodukte, technische Hilfsmittel, Wellness-Angebote, Therapien, Ratgeber, neue pharmazeutische Produkte und neue Ernährungsformen seien auf dem Vormarsch, wirkten sich auch ökonomisch stark aus. Die Gesundheitswirtschaft biete Arbeitsplätze für jeden sechsten Erwerbstätigen. Doch auch der "Gesundheitsterror" nehme zu: Für steigende Kosten würden Gruppen verantwortlich gemacht: "Die Raucher, die Dicken, die Dünnen – der Mensch ist ein wandelndes Gesundheitsrisiko."

Wie stark sich die psychische Gesundheit auf Bildungserfolge niederschlage, zeigte Paulus ebenso eindrucksvoll wie ihren Einfluss auf die Wirtschaft: "Jeder Euro, den ein Unternehmer in Gesundheit investiert, bringt vier bis acht Euro zurück."

Paulus’ Tipp für die Stadt Albstadt: Eine digitale Plattform, um alle Aktivitäten zu bündeln, sei wichtig: Aktivitäten in den Bereichen Bildung, Arbeit, Tourismus, Bürgergesellschaft. Denn es gehe darum, Gesundheit als positive Ressource in einen aktiven Lebensalltag zu integrieren.

 Der nächste Themenabend der Impulse-Reihe dreht sich um betriebliches Gesundheitsmanagement: am 8. Februar in der Firma Mey in Lautlingen.

Albstadt-Tailfingen (key). Wie wichtig Sport – nicht nur für die körperliche – Gesundheit ist, machte die Podiumsdiskussion deutlich. Die Alber GmbH, wo Sabine Braun Personalreferentin ist, unterstützt es, wenn Mitarbeiter Sportangebote nutzen. Allgemeinarzt Axel Heider braucht ihn zum Ausgleich, und Oberbürgermeister Klaus Konzelmann kennt den Wert des Vereinssports und will daher die Rahmenbedingungen – etwa Sportstätten – so gut wie möglich in Schuss halten.

Stadtplaner Philipp König vom Büro Reschl aus Stuttgart weiß, dass Gesundheit ein Querschnittsthema durch alle Lebensbereiche ist, habe sie doch mit Wohlfühlen zu tun. Themen wie Barrierefreiheit – Konzelmann: "Dafür haben wir im Haushalt viel Geld eingestellt" –, Arbeitsplätze, Betreuungsangebote und Infrastruktur spielten dabei eine wichtige Rolle.

Wie sieht es mit der Gesundheitsversorgung aus, Stichwort: Ärztemangel? "Wir könnten mal aufhören, zu behaupten, die hausärztliche Tätigkeit sei unattraktiv", so Heider.

Für ihn sind Gemeinschaftspraxen, wo auch Frauen flexibler arbeiten könnten, die Zukunft – doch dafür bedürfe es der Räumlichkeiten, mahnte er mit Blick auf die zuweilen "völlig überzogenen Mietanforderungen", an denen laut Konzelmann vieles scheitere. "Soziale Anker" hält Peter Paulus für entscheidend, damit Menschen nicht vereinsamten, und König appellierte an alle Beteiligten: "Gehen Sie in eine ehrliche Diskussion miteinander. Allen alles zu versprechen, ist nicht förderlich. Stellen Sie das Gemeinsame in den Vordergrund."