Etwa 350 Personen, darunter Vertreter der Stadt, des Gemeinde- und des Ortschaftsrats, ließen sich am Freitag in Lautlingen vom Regierungspräsidium über die Aspekte der geplanten Ortsumfahrung informieren. Foto: Eyrich

Ortsumfahrung Lautlingen: Regierungspräsidium informiert über alle Fragen und nennt viele Zahlen.

Albstadt-Lautlingen - 305 Stühle, noch mehr Leute: Die Spannung war mit Händen zu greifen, als der Informationsabend des Regierungspräsidiums Tübingen zur Ortsumfahrung Lautlingen begann. Er betreffe ein Jahrhundertprojekt, sagte Oberbürgermeister Klaus Konzelmann.

"Die sachliche Information steht im Vordergrund – bitte bleiben Sie sachlich", appellierte Klaus Konzelmann zu Beginn des Abends und fügte hinzu, dass die Stadtverwaltung bei ihrer Haltung bleibe: Das Projekt Ortsumfahrung zu verzögern, "können und wollen wir uns nicht leisten. Für mich stellt sich die Frage, warum 20 Jahre keine Reaktion aus Lautlingen kam und die Kritiker so kurz vor dem Ziel das Projekt um Jahrzehnte verzögern wollen". Ziel der Planfeststellung sei ein Konsens.

Moderator Ivo Pietrzak betonte, die Bürger sollten verstehen, warum das Regierungspräsidium Tübingen (RP) die Südtrasse verfolge. Ulrich Kunze, Leiter des Referats Straßenplanung, erklärte den Ablauf des Verfahrens mit zahlreichen Beteiligten und Gutachten. Im Planfeststellungsverfahren werde nun geprüft, ob die Planung allen rechtlichen Vorschriften genüge. Dafür werden derzeit die Unterlagen erstellt.

Lang war die Liste der Kriterien, nach denen man sich für die Südumfahrung entschieden habe, so Kunze: von Lärmschutz über städtebauliche Entwicklung, Bauverlauf, Kosten-Nutzen-Verhältnis, innerörtliche Entlastungswirkung, Umwelt und Natur bis zu Erholungs- und touristischen Gründen. Zwei Varianten mit Tunnel seien wegen der nötigen starken Steigung und der dünnen Überdeckung verworfen worden. Die Kosten wären doppelt so hoch gewesen wie bei der Südtrasse. Ein so langer Tunnel brauche besondere Rettungsvorrichtungen, Belüftung, teure Wartung und Unterhaltung – und Gefahrguttransporte dürften ihn nicht passieren.

Für die Variante 1G sprächen die hohe Entlastungswirkung, die Möglichkeit zum dreistreifigen Verkehr, die gute Anbindung des Gewerbegebiets Hirnau und der Kreisstraße aus Meßstetten. Zudem sei sie relativ kostengünstig, habe hohen Lärmschutz, weil die Trasse weitgehend im Einschnitt verlaufe. Negativ schlügen der Eingriff in den Landschafts- und Naturraum, Länge, Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und der Verlauf durch teils hochwertige Landwirtschaftsflächen zu Buche.

Der Auftrag zur vereinfachten Planung, der Variante 1G1, sei aus Kostengründen erfolgt, so Kunze. Die Entwurfsplanung habe wegen der nötigen Gutachten fünf Jahre gedauert: Verkehrs-, Lärm- und Abgasuntersuchung, Baugrundgutachten, schalltechnische Untersuchung und Aktualisierung der umweltfachlichen Unterlagen. 2010 sei die Planung noch einmal dem Gemeinderat vorgelegt worden. Noch einmal habe es Klärungsbedarf gegeben, "und im Dezember 2015 haben wir endlich den ›Gesehen‹-Vermerk bekommen".

Böttiger: Warum es 30 Jahre dauert

Harald Böttiger, Referent für Straßenbau, erläuterte die technische Planung und "warum es 30 Jahre dauert, bis man so weit ist". Durch das künftige Gewerbegebiet Hirnau führe die Trasse mittendurch, um es gut zu erschließen. Sie sei zweispurig mit abschnittsweise drei Streifen.

Lautlingen werden an drei Stellen an die Umfahrung angeschlossen: Westlich mit einer Ampel, an der Einmündung der Kreisstraße nach Meßstetten – oben mit und unten ohne Ampel – sowie im Osten mit Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen, die sicheren Verkehrsfluss gewährleisteten.

Für Entwässerung sorgten Mulden und Leitungen, die das Niederschlagswasser sammelten und in Klärbecken einleiteten. Zehn Bauwerke seien nötig, auch um "vernünftige Querungsalternativen" zu bieten.

Die Verkehrszahlen hat das RP aktualisiert bis 2030: "Ohne Ortsumfahrung wären es 24 300 Fahrzeuge am Tag, mit 4800 auf der Ortsdurchfahrt – eine Reduzierung um 80 Prozent", so Böttiger. Der hohe Verlagerungsgrad sei den drei Anschlussmöglichkeiten geschuldet und werde eine deutliche Reduzierung der Lärmwerte – sie werden derzeit aktualisiert – mit sich bringen. An der Ortsumfahrung werde eine Lärmschutzwand gebaut, so dass im Wohngebiet die Grenzwerte für Lärm nicht überschritten würden.

Anita Weßner, Referentin für Landschaftsplanung, präsentierte einen Zwischenstand, da die Unterlagen derzeit vorbereitet würden – 2015/16 seien die Untersuchungen aktualisiert worden, ebenso wie die bisherige Bewertung der Varianten im Vergleich zu 1G1. Die Haselmaus sei im Bereich Reutenen, Kreuzotter und Zauneidechse seien an der Bahnlinie daheim. Acht Fledermausarten hat man erfasst, deren Flugrouten zwischen Orts- und Waldrand verliefen. Weßner sprach von sieben Hektar Neuversiegelung, zwölf Hektar Straßennebenflächen und elf Hektar Baufeld, von Verlust und Zerschneidung bedeutsamer Lebensräume, der Beeinträchtigung besonders geschützter Arten und der Zerschneidung des Landschaftsbildes.

Eingriffe in die Natur werden kompensiert

Die Kompensationsmaßnahmen umfassten rund 26 Hektar: Teilflächen an der B463 ließen sich rückbauen, Wald aufforsten, neue Biotope schaffen, Brücken für das Wild aufweiten, Gewässerrandstreifen entwickeln, Laichgewässer und Durchlässe für Amphibien anlegen, Gewässer naturnah umgestalten und magere Standorte an der Bahn für Kreuzotter und Zauneidechse entwickeln. Wander- und Feldwege würden "möglichst ohne Umwege" wieder angeschlossen.

Kunze: Südtrasse ist die Grundlage

Albstadt-Lautlingen (key). Helmut Müller von der Bürgerinitiative "Für Lautlingen – gemeinsam für die beste Lösung" eröffnete die Diskussion mit der Frage nach der Chance auf Einhaltung des Kostenrahmens. "Wir haben die Massen so sorgfältig ermittelt, wie nach Stand der Technik möglich", so Ulrich Kunze vom RP, "und sind guter Hoffnung, Kosten genau ermittelt zu haben." Wann die Alternativvorschläge der BI geprüft seien, wollte Müller wissen. Kunze rechnet noch mit einiger Zeit, "doch unsere Maßgabe ist die Südtrasse. Wir beurteilen die Alternativvorschläge im Verhältnis dazu".

"Niemand, mit dem ich sprach, hat die Planung als gut bezeichnet. Was sagen Sie diesen Leuten?", so Müller. Kunze wies auf Ausgleichsmaßnahmen hin und betonte: "Wir müssen auch sehen, was wir damit erreichen: Wir wollen die unerträgliche Situation an der Ortsdurchfahrt entschärfen, und letztlich hat sich diese Lösung als machbar und vertretbar herausgestellt."

Was wird mit den künftig betroffenen Anwohnern?

Eine Zuhörerin wollte über Menschen sprechen, die neu betroffen wären. Kunze verwies auf Lärmschutzmaßnahmen und Einhaltung der Grenzwerte, so dass keine unzumutbare Situation entstehe. "Man muss das ins Verhältnis setzen zu dem, was man dadurch entlastet." Eine andere wollte wissen, ob die neuen Vorschläge die Planung um Jahrzehnte zurückwürfe. Kunze: "Für uns ist die Südtrasse Grundlage des Rechtsverfahrens. Sie wollen wir bauen. Die Alternativvorschläge werden wir beurteilen, aber es müssten schon erhebliche Sachverhalte auftreten, um die Südtrasse als nicht mehr realisierbar erscheinen zu lassen, und die sind nicht in Sicht." In diesem Fall jedoch "müssten wir ganz an den Anfang zurück". Kleine Änderungen im Planfeststellungsverfahren seien möglich, grundlegende nicht. Thomas Schmid, Sprecher der Interessengemeinschaft für die Südumfahrung, fragte nach Lärmschutz an der Brücke (über das Meßstetter Tal; d. Red.) und erfuhr, dass eine Lärmschutzwand vorgesehen sei. Schmid fragte nach dem Eisental, und Kunze entgegnete, dass alle Bereiche im Ort geschützt würden.

Helmut Sauer fragte nach Veränderungen der FFH-Gebiete oberhalb der Bahnlinie, um die Straße planen zu können. Anita Weßner: "Wir zerschneiden die FFH-Gebiete nicht." Laut Gutachter werde es nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen kommen. Derzeit werde dies nochmals nach neuesten Bestimmungen geprüft. Ob Sauers Planvariante die bessere sei, wie er behauptete, müsse sie erst prüfen. Helmut Müller wollte wissen, ob die Aufsichtsbehörde die Variantenprüfung auferlegen könne, "wenn wir klagen" Kunze betonte, man werde zu jeder Einwendung Stellung nehmen. Harald Lögler fragte nach dem Zeitpunkt des Spatenstich bei durchschnittlichem Verfahrensverlauf? Laut Kunze hängt dies von den Einwendungen ab und von Fragen, die noch zu prüfen seien.

Buh-Rufe erntete Eugen Stumpp, der nicht aufhören wollte, davon zu erzählen, wie er Unterschriften gesammelt hatte: 1200 hat die BI laut Helmut Müller, 1500 sind es laut Thomas Schmid auf Seiten der Südtrassen-Bewohner.

Stadtrat Uli Metzger appellierte an die Lautlinger: Er und seine Kollegen verstünden die Betroffenheit Einzelner. "Das sind subjektive Ansichten. Wir von der Politik müssen objektiv handeln und gesamtstädtisch mit Blick auf Albstadt denken. Wir müssen endlich die Chance ergreifen, und deshalb bitte ich Sie: Seien Sie bei uns, wir sind hier auf einem guten Weg und müssen das so gut und schnell wie möglich zu Ende bringen."