Noch immer schwarz von Abgasen sind einige Häuser an der allzu engen Ortsdurchfahrt von Erlenbach. Foto: Schwarzwälder-Bote

Ortsumfahrung: Die Vorzeichen in Lautlingen und dem unterfränkischen Erlenbach gleichen sich

Von Karina Eyrich

Was ihr Hauptproblem, den Verkehr, angeht, sind der Albstädter Stadtteil Lautlingen und Erlenbach in Unterfranken fast Zwillinge. Im Weinort bei Marktheidenfeld gibt es seit 2003 eine Ortsumfahrung. Welche Erfahrungen machen Anwohner damit?

Albstadt-Lautlingen/Erlenbach. Erst wenige Tage ist es her, dass sich in Lautlingen die Bürgerinitiative "Für Lautlingen – Gemeinsam für die beste Lösung" gegründet hat, in der sich Gegner der geplanten Südumfahrung formieren. Neben Landschaftsverbrauch führen sie den befürchteten Lärm als Argument ins Feld – Verkehrslärm, den dann nicht mehr die Anwohner der Ortsdurchfahrt, dafür aber jene der neuen "Monstertrasse", wie einer sie nannte, abbekämen.

In einer vergleichbaren Situation war die Gemeinde Erlenbach bei Marktheidenfeld. Der 2400-Seelen-Ort liegt an der Bundesstraße 8 zwischen dem knapp 30 Kilometer entfernten Würzburg und Aschaffenburg, rund 50 Kilometer weit weg. In einem unterscheidet sich Erlenbach von Lautlingen: Die Autobahn A3 zwischen Frankfurt und Nürnberg verläuft nur fünf Kilometer hinter der Ortsgrenze, was mal Segen, zuweilen aber auch Fluch ist. Denn ist sie gesperrt, wird der Verkehr über die praktisch parallel verlaufende Bundesstraße 8 geleitet. Zustände wie in einem Horrorfilm haben sich in solchen Situationen dann im Ort abgespielt, als die Umgehungsstraße noch nicht vorhanden war.

Deren Bau hatte die Gemeinde – aus Sorge um innerörtliche Geschäfte – in den 1950-er Jahren abgelehnt. Später, als der Verkehr deutlich zunahm und das nur fünf Kilometer entfernte Marktheidenfeld sich zur Einkaufsmetropole für die weite Region entwickelte, wollte Erlenbach die Umgehung und stand kurz vor dem Ziel, als die deutsche Einheit und die neue Priorisierung der Verkehrsprojekte alle Hoffnung zerstörte.

So dauerte es bis zum Jahr 2003, bis endlich eine Ortsumfahrung den Verkehr von der stellenweise allzu engen Ortsdurchfahrt weg brachte.

Ganz nah vorbei an der Wohnbebauung

Sie führt – und hier tut sich die Parallele zu Lautlingen auf – an einer Stelle ganz nah an der Wohnbebauung vorbei, nur getrennt durch einen hohen Erdwall, der mit reichlich Busch- und Baumwerk bewachsen ist. Auch in Lautlingen reicht die Wohnbebauung an zwei Stellen nah an die geplante Südumfahrung heran, wenngleich der Abstand dort größer wäre als in den Erlenbacher Straßen "Brückentor" und "Am Hemmerich" – letztere verläuft parallel zur Ortsumfahrung.

Der Schwarzwälder Bote wollte wissen, wie die Straße das Leben der Anwohner beeinträchtigt, zumal derzeit Bauarbeiten auf der A3 oft lange Staus und eine Umleitung über Erlenbach verursachen. Bei einer Haustür-Umfrage zeigt sich – überraschend – ein ausnahmslos einheitliches Bild: "Gar nicht", sagt Paul Inderwies, der gerade draußen sein Geländer streicht. "Momentan wird fast täglich die Autobahn umgeleitet, aber selbst das stört nicht." Einzig die Tatsache, das er für seinen Spazierweg zum nahen Wald nun einen kurzen Umweg in Kauf nehmen muss, schmeckt dem Rentner nicht. Und die rasenden Motorradfahrer – "aber das sind meist Einheimische".

Seine Nachbarin Stephanie Neubauer und ihr Mann Georg, Bürgermeister der Gemeinde, betreiben gegenüber, an der Ecke der beiden Straßen, ein Weingut mit Gastwirtschaft und Hotel. "Bei uns bekommt man gar nichts mit, höchstens wenn es regnet und die Fahrzeuge durch die Lachen fahren", sagt die junge Mutter zweier Kinder. Wie ihr Nachbar hört sie die Straße "im Haus gar nicht, und selbst wenn wir draußen sitzen, stört sie nicht". Wanderer hätten freilich gelegentlich ein Problem damit: "Wenn sie alte Wanderkarten benutzen und schnurstracks nach oben" – also Richtung Wald – "laufen." Dort ist der frühere Fußweg blockiert, ein Umweg durch eine Unterführung nötig.

Der grüne Erdwall schluckt den Schall

Doris Drescher lebt mit ihrem Mann Wolfgang am dichtesten an der Umfahrung und ist erst nach deren Bau dorthin gezogen: "Klar gibt es mitunter spezielle Motorradfahrer, die das als Rennstrecke benutzen, aber im Haus hört man gar nichts, nur, wenn man draußen sitzt. Beeinträchtigt in ihrer Lebensqualität fühlt sie sich nicht, betont sie: "Zwischen Straße und Haus ist ja der Erdwall, und der Bewuchs ist inzwischen ziemlich hoch, da ist es noch besser – man meint gar nicht, dass es die Umgehungsstraße gibt." Iris Kern und ihre Familie sind ebenfalls nah dran: "Wir haben kurz vor dem Bau schon hier gewohnt und wussten, dass die Umgehung kommt", berichtet sie, "aber es ist wirklich nicht störend. Wir können gut damit leben und es belastet uns nicht groß – auch nicht, wenn wir auf der Terrasse sitzen oder nachts das Fenster offen lassen." Würde sie wieder dorthin ziehen? Iris Kern schmunzelt: "Ja – die Straße ist zumindest kein Argument dagegen."