In den Tailfinger Fabrikantenvillen bekamen die Teilnehmer der Führung kostbares Mobiliar, Raumdekor und Kunstwerke zu sehen. Foto: Hakenmüller Foto: Schwarzwälder-Bote

Historische Stadtführung: Michael Hakenmüller stellt auf einem Rundgang durch Tailfingen einstige Fabrikantenvillen vor

Albstadt-Tailfingen. Tailfingens vornehmstes Mobiliar und "Immobiliar" konnten die Teilnehmer von Michael Hakenmüllers jüngster historischer Stadtführung bewundern – sie führte durch die ältesten Villenviertel der Stadt.

Die Grundstücke hatten sich die Gründerväter der Textilindustrie in der späteren "Trikotstadt Deutschlands" bereits Ende des 19.Jahrhunderts gesichert, allen voran die Kinder von Johannes Ammann aus dem Buchtal – erst Sägewerksbetreiber, dann Kistenmacher und Gastronomen – , welche den südlichen Teil der heutigen Goethestraße in Besitz nahmen. Ihrem Vorbild folgten die Chefs der Brauerei Bitzer und Schneider, von Johannes Conzelmann zur Säge und den fünf größten Textilfabriken, Blickle’s Witwe, Conzelmann zur Rose, Martin Ammann, Martin Conzelmann und J. Hakenmüller.

Finanziell waren letztere aus dem Ersten Weltkrieg als Gewinner hervorgegangen und hatten einen Großteil ihrer Gewinne in Grund und Boden am Sonnenhang ihrer Heimatstadt, dem Lammerberg investiert – eine kluge Anlage, denn sie überstand unbeschadet Inflation und noch später die Währungsreform. Günstig erworbene Schafweiden im Steinbruch am Lammerberg sowie links und rechts davon verwandelten sich eine Generation später in schön gelegene Bauplätze, die verbliebenen Lücken zwischen diesen Grundstücken erwarben Tailfinger Bürgermeister und Prokuristen der Textilfirmen.

Reichtum zieht Kultur an wie ein Magnet – die wohlerzogenen und gebildeten Jünglinge aus dem Fabrikantenfamilien des Talgangs ehelichten bevorzugt Frauen aus der Raum Stuttgart, und mit diesen zog großstädtisches Flair in die Tailfinger Villen ein und machte sich auch in deren Architektur bemerkbar: Die Führung offenbarte, welch einzigartige Villenensembles Tailfingen besitzt: Heimat-, Jugend- und neuklassizistischer Stil wechselten einander ab, den Schlusspunkt setzte die "Stuttgarter Schule", die der Landhaus-, Lammerberg- und der Panoramastraße ihren Stempel aufdrückte: Die meisten zwischen 1905 und 1938 entstandenen Häuser gehen auf drei Architekten zurück, Werkmeister Carl Ammann, Johann Miller und Heinrich Merz.

Neben der Produktion von Wäsche entwickelte sich der Handel mit Immobilien so zum zweiten und zum Schluss wichtigeren wirtschaftlichen Standbein der Tailfinger Unternehmer. Mit den stilvoll verzierten, großflächigen Fabrikgebäuden in der Innenstadt und den mit kunstvollen Glasfenstern und Wandgemälden im pompejanischen Stil geschmückten Wohnhäusern, deren Zimmerfluchten an Schlösser und deren Gärten an Parks erinnern, haben sie dem einstigen Dorf Tailfingen ein neues Gesicht gegeben.